Politik und Gewissen. Politik und Moral. Politik und Vorbildfunktion. Alles Begriffe, die in denkbar größtem Kontrast zueinander stehen. Wenn ich dieser Tage ein Foto sehe, das durch die Medienlandschaft kursiert, dann bekommt das Genannte ein neues, symbolträchtiges Gesicht. Die bildhafte Darstellung der moralischen Verkommenheit. Der Heuchelei. Des Spottes in Gestalt der Gattin des Altkanzlers Gerhard Schröder, in weihevoller Pose, ikonenhaft wie die Mutter Gottes persönlich, mit niedergeschlagenen Lidern, gefalteten Händen. Im Hintergrund, öffentlichkeitswirksam in Szene gesetzt, die Basilius Kathedrale am Roten Platz in Moskau.
Schlimmer jedoch als diese Verhöhnung empfinde ich die Tatsache, dass genau diese Bilder die gewollte Wirksamkeit nicht verfehlen. Dass sie Wirkung zeigen bei einem erheblichen Teil der Bevölkerung. Denen nämlich, die ihren Informationsanspruch an großformatigen BILD- Darstellungen nähren. Denen, die keines differenzierten Denkens willens oder fähig sind. Den Satten und Zufriedenen, die sich gleich des Römischen Zitats des Satirikers Juvenal aus dem 1. Jahrhundert n. Christus, durch „Brot und Spiele“ heute in Form eines reich gefüllten Kühlschrankes und 150 TV Kanälen lähmen lassen.
Wenn ich aber zu Beginn dieses Beitrags mit dem Finger auf die vermeidlichen Verursacher weise, dann an dieser Stelle doch auf jeden Einzelnen von uns.
Wir können die Verantwortung für alles, was geschieht, nicht allein denen auferlegen, die durch uns in entsprechende Positionen gelangten, ohne uns selbst zu fragen, was tragen wir bei zu allem, was geschieht? Wenn wir nicht beginnen, uns unablässig selbst zu reflektieren. Uns und unser Verhalten in Frage zu stellen. Wenn wir uns nicht die Mühe machen, uns unseres Verstandes zu bedienen. Fragen zu stellen, in Frage zu stellen. Unsere Stimmen zu erheben gegen Unrecht, das geschieht. Die Stimme zu erheben gegen Halbwahrheiten, hohlwangige Phrasen, Manipulation durch halbseidene Medienorgane. Wenn wir nicht erkennen, was hinter all dem, was uns als Wahrheit verkauft wird und doch nur dem Wohl weniger dient, steht, dann werden wir am Ende einen Preis zahlen, der ein Leben nach gewohnten Wertmaßstäben nicht mehr möglich macht.
Sie belügen uns, weil wir es zulassen. Weil es bequemer ist, denken zu lassen, statt es selbst zu tun. Ab diesen Zeitpunkt, so er denn eintritt, haben Bilder wie das anfangs erwähnte, keine Chance mehr. Habe inhaltslose Worte keine Überzeugungskraft mehr. Verfehlen aufwendig inszenierte Darstellungen jede Wirksamkeit.
Das Übertragen unseres Anspruchs an gewissenhaftes und moralisches Handeln, dass Einnehmen einer Vorbildfunktion Dritter, der wir selbst aber außer Stande sind gerecht zu werden, ist gegenüber dem, was wir ihnen vorwerfen, nicht minder verächtlich.
Wir sind nicht schuldlos an allem, was geschieht. Bekennen wir uns zu unserer Verantwortung.