Ort
des Schauspieles: Das renommierte Landhaus Adlon in Potsdam. Man lud
zum geheimen Treffen am „geheimen“ Ort. Sie erkennen die Ironie?
Auch diesmal mit „anschließendem Frühstück“? In der Historie
Bewanderte werden wissen, worauf ich anspiele. Man schmückte
sich mit Honoratioren einer gewissen Partei, sich präsentierend
unter müllsackblauem Logo. Schmückte sich mit geladenen Gästen aus
allen Bereichen der Gesellschaft, der Wirtschaft, der Politik. Nicht
zu vergessen Delegierte rechtsnationaler, völkischer Verbände,
strafrechtlich in Erscheinung getretene, rechtskräftig verurteilte
Gewalttäter, denen voreilend ein gewisser Märtyrer- respektive
Heldenstatus zuteilwurde. Alle aber sich verdient gemacht habend in
ihren Bemühungen, rechtsnationales Gedankengut und entsprechende
Ideologien verbreitende Institutionen, Verbände, Gruppierungen tat-
und finanzkräftig zu unterstützten. Gemeinschaftlich suhlte man
sich im selbst produzierten Dreck wie die sprichwörtliche Sau vor
dem Futtertrog. Es ging um Erarbeitung eines so wörtlich:
„Masterplans für Deutschland. Um die Reinhaltung der deutschen
Rasse, Verzeihung, Ethnie und eben darum, was notwendig wäre, dieses
Ziel zu erreichen. Deportationen. ggf. unter Anwendung physischer
Gewalt wären nur ein probates Mittel. Massen-Remigration, Ausweisung
selbst Inhaber der deutschen Staatsbürgerschaft, Verbot von Ausübung
bestimmter Gewerbe. Beschneidung von Religionsfreiheit wie der
Ausübung kultureller Traditionen.- Wie gesagt. Ich spreche nicht von
rechtsnationalem Pöbel. Primitiv in Auftreten und
Sonderschuld-Rhetorik. Es waren Vertreter höchster Kreise.
Vermögend. Intelligent, einflussreich. Zitat aus den Protokollen der
Wannseekonferenz am 20. Januar 1942: „Erklärtes Ziel muss es sein,
den deutschen Lebensraum von fremd-rassischen Völkern zu säubern“.
Hieran anlehnend die Bundestagsabgeordnete der AfD Gerrit Huy -
Zitat: „Man müsste eine Art Trabantenstaat in Afrika installieren,
in die man jene, man bezifferte die Zahl der zu deportierenden Bürger
fremdländischer Herkunft mit 20. Millionen, verbringen könne.
Unterstützer der bisherigen Zuwanderungspolitik könnten diese
gleich begleiten.
Nun:
hätte es nicht der Umstand mit sich gebracht, dass es dann doch
nicht so klappte mit oberster Geheimhaltungsstufe, wäre es also
nicht gelungen, ein paar aufgeweckte Journalisten der Institution für
Recherche und investigativen Journalismus „Correktiv“
einzuschleusen, die die Öffentlichkeit auf sehr besondere Weise über
die Inhalte dieses Treffens unterrichtete, in dem sie die Protokolle
dem Berliner Ensemble zur Verfügung stellte, die hieraus spontan
eine szenische Lesung vor voll besetzem Haus gaben. Das
Bild des in Vorbereitung befindlichen Bösen hätte sich kaum
offenbart. Ebenso wenig aber das Bild der Passivität einer Regierung
und ihrer Organe, die wegschaut. Die des Handelns unfähig oder
unwillig. Die eine seit Jahrzehnten
schwelende und anwachsende Gefahr als solche nicht erkennt oder nicht
erkennen will.
Von
Zeit zu Zeit bringt die Geschichte Menschen hervor, die durch
besondere Weise von sich reden machen. Menschen, die sich engagieren.
Menschen von Format und Courage. Menschen, die sich, wenn es die
Situation erfordert, auch unorthodoxer Mittel bedienen, etwas zu
erreichen oder durchzusetzen, das ihnen selbst für den Augenblick
vielleicht zum Schaden gereichen mag, der Allgemeinheit aber dienlich
ist. Es
war im April 1968, als die Bürgerrechtlerin Beate Klaasfeld ihrer
Empörung über den Umstand, dass eine nicht unmaßgebliche Gestalt
im NS-Staat, Kurt Georg Kiesinger, damals Bundeskanzler der 3.
Bundesregierung nach Proklamation der BRD, diesem im hohen Hause des
Deutschen Bundestages, dadurch Ausdruck verlieh, demselben vor
laufenden Kameras eine schallende Ohrfeige zu erteilen. Es
verfehlte seine Wirkung nicht. Kiesinger, dem so vehement daran
gelegen war, den rechtsnational belasteten Teil seiner Biographie zu
verschleiern, musste seinen Hut nehmen. Nun war Kiesinger kein
Einzelfall. Den personellen Notstand der Regierung glich man mehr
oder weniger gezwungenermaßen durch jene aus, über deren
Vergangenheit man lieber Stillschweigen wahrte. Zitat Konrad
Adenauer: „Man sollte schmutziges Wasser nicht wegschütten, solang
man kein sauberes zu Verfügung hat.“ Diesem Grundsatz war es
schlussendlich geschuldet, dass die Verfolgung der Täter in der
jungen Bundesrepublik nur sehr unzureichend erfolgte. Man denke an
die im Bundestag durchgesetzte Reform des Strafrechtes am 23.März
1965, die die Verjährung von NS Verbrechen rückwirkend auf den
01.Januar 1950 datierte. Es wurde später wieder aufgehoben, doch
zunächst mochte es manchem derer, die Blut an ihren Händen trugen,
den Hals gerettet haben.
Die
Courage einer Beate Klaasfeld, sie hatten ihren Preis. Auch andere
Aktionen, beispielsweise die geplante Entführung, also die gemäß
geltender Gesetzte illegale, doch nach menschlichen Erwägungen
gerechtfertigte Überstellung eines gewissen Kurt Lischka, im Krieg
hoch dekoriert im Rang eines SS-Obersturmbannführers, maßgeblich
verantwortlich für die Deportation von 75.000 französischer Juden,
hierfür in Frankreich, in Abwesenheit zu lebenslanger Zwangsarbeit
verurteilt, nach dem Krieg ein sorgenfreies Leben, wenige Kilometer
entfernt der Grenze des Landes führend, das nach ihm fahndete. Die
Folge, eine Haftstrafe, jedoch nicht etwa für den Mörder.
Vielleicht
ist es manchmal notwendig, sich solch rechtsbeugender Methoden zu
bedienen. Wenn diese auch nicht unmittelbar zum Ziel führte, so
rüttelte sie doch die Öffentlichkeit auf. Zwang den Staat und seine
Organe schließlich zum Handeln. Brachte es, dass schlussendlich doch
eine rechtmäßige Verurteilung Lischkas im eigenen Land erfolgte. Der
demokratische Rechtsstaat sieht Mittel vor, dies auch auf zivilem Weg
zu erreichen. Dies aber bedarf einer Mehrheit. Einer denkenden, ggf.
lauten Mehrheit. Die Schwäche der Demokratie besteht bekanntermaßen
darin, dass sie auch der Dummheit eine Stimme gibt. Und diese, wie
Erich Kästner schon in einem Gedicht beschreibt, pflanzt sich
schnell und unkontrolliert von selber fort.
Der
Geist der einstigen nationalsozialistischen Ideologie war immer
existent. Äußerte sich in kleinen Gruppierungen. In der Bildung von
Organisationen und Parteien. Aus ihr heraus ergingen Verbrechen,
menschenverachtendes Unrecht. Sie bildete einen Teil der
Gesellschaft. Fand ihren fruchtbaren Boden in gewissen sozialen
Missständen. In Existenzängsten. In Desorientierung. Eine durchaus
vergleichbare Situation zu der, aus der sich ab 1923 der NS-Staat
einwickelte. So aber, wie wir die Geschichte hinterfragen müssen, ob
es damals nicht zu verhindern gewesen wäre, so sollten wir diese
Frage heute stellen und dies zu einem Zeitpunkt, da Schlimmstes noch
zu verhindern ist, denn schließlich haben wir, das Volk, die Politik
doch gelernt aus der Vergangenheit?
Am
06.Februar 2013 gründete sich eine Partei, deren erklärtes Ziel das
Wiedererstarken eines völkisch- nationalen Bewusstseins ist, das
sich über andere Völker, andere Kulturen, andere Ethnien erhebt.
Diese ausgrenzt, sofern sie diesem Land nicht doch auf die ein oder
andere Weise dienlich sind. Ich thematisiere hier bewusst nur diesen
einen, gegen jedes Maß an Vernunft, an Humanismus, an
Völkerverständigung in Sinne eines globalen Denkens, Teil des
Parteiprogramms.
Noch einmal: Ein demokratischer Rechtsstaat soll
und muss auch unliebsamen Lagern eine Bühne bieten. Dass aber genau
das demokratische Recht, auf das sich populistische Parteien wie die
AfD berufen, diese am Ende zerstört, was durchaus angestrebtes Ziel
ist, das sich niederschlägt in Einschränkung der Presse- und
Meinungsfreiheit, der Ausgrenzung von Minderheiten, der Einschränkung
gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften und deren Rechte, die
Instrumentalisierung und Ideologisierung von Kunst und Kultur, muss
doch jedem noch so Verblendeten offensichtlich sein, zumal die
Instrumente, derer diese Partei sich bedient, ihre Inhalte zu
vermitteln, weit über die der manipulativen Rhetorik, die für sich
allein genommen nicht selten den Tatbestand der Volksverhetzung nach
§130 STGB erfüllt, hinausgehen.
Und die regierenden Parteien
sehen angesichts dieser sich fortsetzenden Entwicklung der
Vorbereitung staatlich legitimierten Terrors, die mittlerweile nicht
einmal mehr hinter vorgehaltenen Hand stattfindet, „immer noch
keinen Handlungsbedarf“. Zitat Michael Kretschmer. Dies
alles stellt für mich eine eklatante Schwäche der amtierenden
Regierung dar, die schon allein aus der Perspektive der Geschichte
unter keinen Umständen zu billigen ist.
Blättern
wir zum Vergleich noch einmal zurück in der Historie dieses Landes. Am 17.August 1956 erging das bisher einzige
Parteiverbotsverfahren der Bundesrepublik gegen die KPD, der man
Volksverhetzung vorwarf. In Sachen AfD hat man es bislang
lediglich zum Beobachtungsstatus durch den Verfassungsschutz
gebracht. Jene Institution, dies weiß man nicht erst seit der
Anschlagsserie des NSU, der 10 Jahre lang ungestört in Deutschland
morden konnte, die bekanntlich auf dem rechten Auge blind ist.
Noch
ein Vergleich gefällig? Eine Episode, die die Verhältnismäßigkeit
der Mittel ein wenig in den Vordergrund stellt. Am 05. Juni 2008
ereignete sich folgender Vorfall. Eine Gruppe Jugendlicher,
Mitglieder der jungen Grünen, äußerte ihre Missbilligung gegenüber
der damaligen Bundesregierung dadurch, dass sie vor einer Einrichtung
der Bundeswehr den Mast einer Deutschlandfahne anpinkelte. Eine Tat,
über deren Geschmack man streiten mag, die gem. § 90a StGB jedoch
eine Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole darstellt, die mit
Freiheitsentzug bis zu 3 Jahren geahndet werden kann. Ein harmloser
Streich, gegen den das Gesetzt ein kategorisches Strafmaß vorsieht.
Das Heraufbeschwören einer Situation, die die Grundfesten dieses
Staates in Frage stellt. Die sie bekämpft und eine Gefährdungslage
für die Zivilgesellschaftlich hervorruft, mit sträflicher
Passivität zu begegnen; stellt für mich mindestens eines dar.
Nämlich die Lächerlichkeit der hier zum Handeln verpflichteten
Institutionen.
Ich
glaube tatsächlich, es bedarf einer anderen Kraft, dieser
Entwicklung etwas entgegenzusetzen. Eine Kraft, die sich über die
staatlichen Gewalten hinwegsetzt. Eine Revolution der Vernunft. Dass
es funktioniert, haben wir in den letzten Tagen und Wochen erlebt,
als bundesweit rund hunderttausende Menschen trotz Eiseskälte auf die
Straße gingen, sich solidarisch zeigten mit all denen, gegen die
diese Partei, die AfD und ihre Anhänger, nach Kräften zu Felde
zieht. Ich
spreche nicht von tätiger Gewalt. Ich spreche von deutlicher
Verbundenheit. Von unablässigem Erheben der Stimme. Von Maßnahmen
des zivilen Ungehorsams in einer Größenordnung, die den Staat zum
Handeln zwingt. Die Parteien, die sich gegen die Verfassung des
Landes stellen, in ihre Schranken weisen. Maßnahmen, die den
Fortbestand eines sozialen Rechtsstaates gewährleisten. Wenn es
erst soweit ist, dass rechte Parteien gewisse Positionen innerhalb
der Gewalten besetzen, ist der Weg nicht mehr weit, diesen
Rechtsstaat von innen heraus auszuhöhlen. Dies gilt es mit allen
gebotenen Mitteln, oder was man für geboten erachtet, zu
verhindern. Gewalt ist keine Lösung. Sie sprechen sich für
Gewalt aus. Benennen es als Mittel, das ihnen angemessen erscheint,
ihre Inhalte durchzusetzen. Wenn wir es ihnen gleichtun, ihnen mit
ihrer Sprache antworten, ist die Sache verloren.
Hass
und Zwietracht ist die Sprache der Unvernunft. Ich habe mich immer
gegen die gewaltsame Beilegung von Konflikten ausgesprochen und werde
es auch weiterhin mit aller Kraft tun. Aber wenn die schärfste
Waffe, das Wort, abstumpft? Die
Regierung Kiesinger wurde mir einer Ohrfeige zu Fall gebracht. Die
Öffentlichkeit aufgerüttelt gegen einen von NS-Funktionären
durchsetztem Regierungsapparat. Soweit darf es unter keinen Umständen
kommen. Eine Ohrfeige wird dann nicht mehr genügen.
Die
Hoffnung, eines Tages vielleicht doch zu einer befriedeten
Gesellschaftsordnung im globalen Sinne zu gelangen, liegt nicht in
militärischem Potential. Nicht in Großkapital von Banken und
Versicherungen und Konzernen. Sie liegt nicht in der Befriedigung gedankenlosen
Konsums. Nicht im von Parteien provozierten Hass. Nicht in Missgunst. Nicht in Neid und
nicht in der Angst, die aus all dem resultiert. Sie liegt im
Geist und einen hieraus ergehenden sozialen Bewusstseins. In der Vernunft. In der Liebe.