Man denkt darüber nach, mittels KI-unterstützter Personenüberwachung im öffentlichen Raum, Verhaltensauffälligkeiten schneller zu erkennen, entsprechend handeln zu können und auf diese Weise Straftaten und Übergriffigkeiten zu verhindern. Dies stellt für mich keinen Beitrag zur öffentlichen Sicherheit dar. Das ist für mich die blanke Hysterie. Der Überwachungs- respektive Polizeistaat in Vollendung.
Was wertet man
denn als Verhaltensauffälligkeit? Ein Mann greift sich im
Menschengemenge in die Manteltasche. Scheint etwas hervorzuholen, lässt
dann aber von seinem Vorhaben ab, um im nächsten Augenblick erneut in
die Tasche zu greifen. Er schaut sich auffällig oft um, wirkt
verunsichert. Tatsächlich handelt es sich um einen Reisenden, der sich
nach der Anzeigetafel im Bahnhof umschaut, seinen Zug zu versäumen
fürchtet, nach seinem Telefon in der Tasche greift. Statt im Zug,
findet er sich wenig später in einer Polizeikontrolle wieder. Zug
verpasst. Ein Opfer, das man bereit sein muss zu leisten im Dienste der
Sicherheit.
Bei aller Tragik der Ereignisse, die sich vor wenigen
Tagen im Hamburger Hauptbahnhof zutrugen - eine nachweislich psychisch
gestörte Person sticht wahllos auf Menschen ein. Verletzt zwei Menschen
schwer, sechzehn weitere erleiden leichtere Verletzungen. Solche Dinge
geschehen in der Öffentlichkeit. Vielmehr sollte man sich die Frage
stellen, warum geschieht es? Woraus resultiert solch ein Verhalten? Was
liegt dem zugrunde. Ein namhafter Jurist, bekannt durch zahlreiche
Publikationen und Fallanalysen, sagte einmal: „Jeder Täter war
irgendwann einmal Opfer.“ Eine Aussage, die weitgehend Unverständnis
hervorruft. Ein Täter, gleich wessen er sich schuldig macht, hat die
Konsequenzen für sein Handeln zu tragen. Weggesperrt zum Zwecke des
Schutzes der Öffentlichkeit, Die einfachste Formel. Vor allem eine,
mittels der wir uns selbst aus der Verantwortung stehlen.
Gleichermaßen
aber auch die wirkungsloseste, glaubt man Statistiken, die die
nachhaltige Wirksamkeit von Strafen als abschreckende Maßnahme in Frage
stellen.
Für
mich beginnt die Verhinderung von Straftaten an ganz anderer Stelle.
In der Bedeutung und Umsetzung eines Begriffes, der im heutigen
Sprachgebrauch kaum mehr Anwendung findet, und wenn, bestenfalls darin,
dass wir den Mangel dessen bei anderen erkennen. Nicht aber bei uns
selbst. Die Rede ist von einer funktionierenden Solidargemeinschaft.
Verantwortung füreinander. Einander sehen und erkennen, was geschieht.
Was ich tun kann, Wie ich Hilfe leisten kann.
Vielleicht sollte man Überwachungsmechanismen für so etwas entwickeln. Mechanismen, die erkennen, ab wann ein Mensch sein Menschsein verliert in dieser Abwärtsspirale aus stetem Wettbewerb, Konsumterror und künstlich generierter Angst, die wir als solche kaum erkennen.