Es ist fast geschafft. In den Konsumtempeln und Shoppingmalls beginnt sich die Kauflust auf ein Normalmaß zu reduzieren. Umtauschgeschäft und das Einlösen von Gutscheinen bestimmen das Treiben. Dem einen oder anderen wird der gut gemeinte Gedanke, der dem Kauf manch vermeidlicher Geschmacklosigkeit zugrunde lag, doch nicht recht behagt haben. Wiederum andere, mit eben einem Warengutschein bedacht, weil man sich die alljährlich wiederkehrende Frage, was schenken wir jemanden, der alles hat mit so einem Verlegenheitsgeschenk beantwortet, erfüllen sich nachweihnachtlich ihre Wünsche selbst.
Normalität: der Handel zieht Bilanz. Die Weihnachtsmärkte sind abgebaut. Die Werbebeilagen der Tagespresse, die mit sich näherndem Fest versandhauskatalogähnlichen Umfang annahmen, sind - vorübergehend freilich - völlig verschwunden. Lücken in den Wohnzimmerneinrichtungen, die durch stadtweite Sperrmüllräumung noch zwei Tage vor dem Fest entstanden, sind mit neuem Fast-Food-Design gefüllt. Altpapiercontainer durch Sonderschichten der ständischen Müllabfuhr geleert. Die Weihnachtsgans ist verdaut. Tantchen beklagt sich über angefressene Pfunde, besorgt an sich herabblickend angesicht
des nahenden Silvesterballs und des Abendkleids, dessen Nähte sich
beängstigend den Grenzen ihrer Belastbarkeit nähern.
Es hat etwas Befreiendes, an all dem nur als Beobachter des Treibens teilzunehmen. Aus der zweiten Reihe gewissermaßen. Weihnachten, natürlich, ist Konsum. Ist das festliche Schmücken der Wohnung. Die Vorbereitung des Festessens. Die Zusammenkunft mehr oder weniger liebsamer Familienmitglieder, vielleicht auch Freunden. Weihnachten, dass sind Geschenke. Das ist Kinderlachen. Das ist der amüsiert enttäuschte Blick derer, die zum dritten mal in Folge mit dem gleichen Geschenk bedacht wurden.
Ich werde schon seit Jahren nicht mehr eingeladen zu derartigen Zusammenkünften anlässlich des zweithöchsten christlichen Feiertags.
Ich erinnere mich an eine Begebenheit, die mich beeindruckt, ja, tief bewegt hat. Es war das Weihnachtsfest einer befreundeten Familie. Auch hier gab es Geschenke. Gutes Essen. Gelebten Wohlstand. Ich weiß nicht mehr, wie viele Menschen am heiligen Abend um die festlich gedeckte Tafel saßen. Was sich mir jedoch einprägte, dass ein Gedeck mehr als Personen am Tisch saßen aufgetan war. Es galt einem Gast, der möglicherweise überraschend vor der Tür stünde. Einem Bedürftigen oder Einsamen, der nicht wusste, wohin an diesem Abend. Oder vielleicht Ihm...? Mein Blick ging immer wieder zu diesem Teller, dem Glas, dem Besteck, das unberührt blieb, das aber Symbol stand für Demut, Dankbarkeit und Nächstenliebe. Symbol für den Geist, der nicht nur zu Weihachten unser Sein bestimmen sollte.
Wenn ich am Tisch derer, die mir am nächsten waren, saß, fehlte mir dies. Dann fehlte mir eine Spur des Bewusstseins, dass alles, was das Hier und Jetzt ausmacht, keinesfalls selbstverständlich sei, wenn in den zufriedenen Blicken der Konsumierenden auch zu lesen war, wie haben es uns schließlich verdient. Weihachten war für mich immer auch ein Gedanke an die, denen all dies nicht zuteil ist. Denen, die bitterste Not leiden. Die buchstäblich nichts mehr haben, wobei ich nicht unterscheide zwischen Armut vor der eigenen Tür oder Armut, die uns bestenfalls aus TV-Formaten und Berichterstattung ferner Länder ins Bewusstsein dringt.
Ich wollte niemandem den Genuss, niemandem die Freude am Weihnachtsfest verderben, wenn ich bei dieser Gelegenheit hieran erinnerte.
Eingeladen wurde ich fortan nicht mehr.Seither ist Weihnachten Weihnachten für mich.