Freitag, 19. Juli 2019

"Die Geister, die ich rief..."


Natürlich birgt es eine gewisse Widersprüchlichkeit, einerseits das Internet, die sozialen Netzwerke, wie auch in Form dieses Blogs, zu nutzen, sich andererseits aber gegen sie auszusprechen. Und im Grunde genommen will ich es auch nicht betont negativ darstellen. Nur möchte ich zur Vorsicht gemahnen, denn diese ist allemal geboten. Bereits 1962 stellte der Philosoph und Medientheoretiker Marshall McLuhan in seinem Buch „Die Gutenberg Galaxis“ seine Vision eines weltumfassenden Medialen Netzwerkes dar, die er im folgenden Werk „The Global Village“ zur Perfektion ausführte. Menschen, ich nennen sie Visionäre, wie McLuhain gab es viele. Ich erinnere an Georg Orwell, an Aldous Huxley und manch anderen, in deren Vorstellungsvermögen das entstand, was wir längst erleben. Natürlich hat es sein Gutes. Die Welt ist zusammengerückt. Medial. Virtuell. Kommunikation, Datentransfer mit den entlegensten Gebieten der Erde sind in Sekunden möglich. Die Wirtschaft, der Handel wäre ohne das Internet heute nicht mehr denkbar. Die Vermittlung von wissenschaftlichen Erkenntnissen, Lerninhalten aller Kategorien und Sachgebiete will niemand mehr missen. Unterhaltung und Zerstreuung, ob auf höchstem Niveau oder aus den Tiefen der Geschmacklosigkeit, stehen uns uneingeschränkt und im kaum zu erfassenden Maß ins Haus. In der Recherche zu diesem Beitrag habe ich mir die Mühe gemacht, nach dem Begriff „Gefahren durch das Internet“ zu googeln. Ich mag diesen Begriff übrigens nicht, nachdem er nun aber selbst im Duden seinen Platz gefunden hat, werde ich mich ihm kaum mehr erwehren können. Wie auch immer. Beiträge zu diesem Begriff weisen vordergründig und nahezu ausschließlich auf mögliche Gefahren für Kinder und Jugendliche hin. Was die Nutzung dieses Mediums für Erwachsene, irrtümlich gern als vernunftbegabten Teil der Menschheit dargestellte Personen, beinhaltet, findet kaum Erwähnung.

Mich erinnert die Erfindung bzw. Entwicklung des World Wide Web gern an Menschen wie Alfred Nobel, der das Dynamit erfand um die Menschheit nachhaltig zu befrieden. Er setze auf den Faktor Vernunft. Wird der Mensch erst erkennen, welch verheerende Wirkung dieser Stoff habe, wird er ihn kaum mehr für das vernichtende Werk des Krieges einsetzen, wird er am Ende zur Erkenntnis der Sinnlosigkeit des Krieges gelangen. Was aus diesem Gedanken wurde, wissen wir alle. „Die Geister, die ich rief…“ Es entartete vollkommen. Es nahm Dimensionen an, die kaum mehr zu kontrollieren waren. Dimensionen apokalyptischen Ausmaßes.  Ich bin weder auf dem Gebiet der Neurowissenschaft noch der Psychologie bewandert. Bin aber der Ansicht, dass die menschliche Auffassungsgabe begrenzt ist. Zumindest die Fähigkeit des differenzierten Denkens angesichts der Medienflut, die uns beinahe 24 Stunden täglich erreicht. Mit dem Einschalten des Radios, des Smartphone am Morgen beginnt es. Mit dem Ausschalteten des Fernsehers, des Computers an Abend endet es. Ich denke, ab einer gewissen Präsenz dessen, was uns medial geboten wird, schlucken wir nur noch, ohne zu kauen. Besonders aber, ohne zu schmecken, Ohne wahrzunehmen. Ein namhafter Politiker hat es kürzlich so dargestellt: Ihm ist daran gelegen, möglichst früh am Tage, wenn die Nutzungsfrequenz der User am größten ist, seine Tweets und Beiträge, möglichst auf wenige Worte beschränkt, abzusetzen. Somit findet er den ganzen Tag lang statt.
Es ist wie das Lied, dass man frühmorgens beim Zähneputzen im Radio hört, das man den ganzen Tag nicht loswird. Dies zu erkennen, bedarf es keiner wissenschaftlichen Analysen und Erkenntnisse mehr. Dies erkannt haben längst die Wirtschaft, die Werbeindustrie und nicht zuletzt die Politik. Und an dieser Stelle bin ich wieder beim Dynamit des Alfred Nobel und der Gefahr des undifferenzierten Denkens, der Gefahr der Unvernunft.
Positive Kräfte und Bewegungen haben die sozialen Netzwerke genutzt, ihre Inhalte zu vermitteln. Für ihre Ideen zu werben. Zu nennen in jüngster Zeit sind Institutionen wie friday for future, Sea-Watch und mache andere. Bewegungen, die dieses Maß an Aufmerksamkeit und Solidarität nicht erlangt hätten ohne das Netz. Wie aber können wir noch unterscheiden zwischen gut und böse? Eine unüberschaubare Zahl von Netzzeitungen mit den abenteuerlichsten Namen und in wachsender Zahl, dringt in unser Bewusstsein. Organe, deren Pseudo-Berichterstattung ausschließlich der Meinungsbildung bildungsferner Konsumenten gilt.

Was ist Wahrheit, was ist Lüge, was ist bewusst und gezielt gesetzte Manipulation die nichts anderes im Schilde führt als Irreführung bzw. Infiltrierung für krankhafte und sinnentleerte bis zivilisationszersetzende Ideologien, wie wir sie aus den rechten politischen Lagern seit geraumer Zeit präsentiert bekommen? Inhalte werden auf primitivste Weise vermittelt. Vertrauen erschlichen. Mit Angst und Lüge, angereichert durch geschickte Rhetorik als probates Mittel, werden wir gefügig gemacht.
Für all dies bietet das Internet den fruchtbarsten aller Böden. Zum Zeitpunkt, da ich diesen Artikel schreibe, umfasst das Netz rund 1 Milliarde Internetseiten. Eine Zahl, die sich nach gegenwärtiger Prognose um rund 50 Millionen Seiten jährlich erhöht. 144 Milliarden Emails werden pro Tag verschickt. 1,2 Milliarden Menschen nutzen alleine Facebook. 450 Million weitere Nutzer Twitter. Was für ein Potential für die selbst ernannten Wohltäter der Menschheit, nach denen unsere Gesellschaft so fiebert? Was diesen Kräften, die diese Zahlen für sich und ihre verwerflichen Ideologien nutzen, in die Hände spielt, ist die Dummheit oder auch die Bequemlichkeit, wachsam zu sein. Dabei genügt es, überlegt zu handeln, sich um Objektivismus, Sachverstand und eine Spur Menschlichkeit zu bemühen, um ihre hohlwangigen Phrasen zu entkräften.
Dann haben sie keine Chance. Die Kräfte, denen es um nichts anders geht als um Eitelkeit, Machtgewinn und unermessliche Gier um jeden Preis, niemals aber um das Wohl einer befriedenden Weltgemeinschaft,