Freitag, 7. September 2018

Offener Brief an den Bundesinnenminister: Horst Seehofer

Sehr geehrter Herr Seehofer,

es ist mit meiner humanistisch-christlichen Weltanschauung schon lange nicht mehr vereinbar, Sie im Amt des Innenministers zu wissen. Zuletzt wurde mir dies deutlich durch Ihre Äußerung: (Zitat)“Ich bin froh über jeden, der bei uns in Deutschland straffällig wird und aus dem Ausland stammt. Auch der muss das Land verlassen!“ Was Sie im Namen einer Partei, die die Attribute christlich und sozial im Namen führt, betreiben, ist an Frechheit kaum mehr zu überbieten. Die Parteispitze sprach im Nachhinein von einer: (Zitat) „Böswilligen Fehlinterpretation Ihrer Äußerung.“ Die üblichen Ausflüchte, wie man sie zuweilen aus Kreisen anderer Parteien und Gruppierungen hört. Im Kontext zu Ihren bisherigen, nicht weniger unqualifizierten Kommentaren aber, stellt sich das Bild eines Politikers dar, der in blinder Demagogie ein Maß an Hetze betreibt, die weder christlich, noch sozial, noch vereinbar ist mit den Grundwerten einer Gesellschaftsordnung, die nachhaltig zu Befriedung derselben führen soll.
Sie, Herr Seehofer, wollen das nicht, was sich einmal mehr in Ihrem Schulterschluss mit dem Vorsitzenden des Verfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, zeigt.
Solange Menschen wie Maaßen dem Verfassungsschutz vorstehen, wird es in diesem Land weder ein deutliches Zeichen gegen rechts noch eine hinreichende Aufarbeitung begangener Verbrechen geben.
Zahlreiche Videomitschnitte und Zeugenaussagen liegen im Fall der Hetzjagd des braunen Pöbels von Chemnitz, in deren Folge es zu einem tragischen Unglück kam, vor. Beweismaterial, dessen Echtheit jedoch kategorisch sowohl von Ihnen als auch von Herrn Maaßen und nicht zuletzt von Seiten des Sächsischen Ministerpräsidenten bezweifelt wird. Wenn tätige Angriffe gegen Mitbürger ausländischer Herkunft heute wieder verleugnet, verharmlost und verteidigt, Gegenwehr der Gepeinigten jedoch über Gebühr kriminalisiert wird, sind wir den Verhältnissen des 3. Reiches wieder sehr nahe.
Ich verteidige die Tat der in Haft befindlichen Asylanten nicht. Sofern die Ermittlungen ein schuldhaftes Verhalten ergeben, muss es entsprechend geahndet werden. Aber ich frage Sie, Herr Seehofer: Wiegt das Vergehen an einem Deutschen schweren, als beispielsweise der Mord an Menschen fremdländischer Herkunft, die in unserem Land Schutz suchen? Seit dem Wendejahr 1990 verloren 198 Menschen durch rechte Gewalt ihr Leben. Die Haltung der Behörden, sowie die oft äußerst milden Urteile gegen die Täter, sofern man ihrer überhaupt habhaft wurde, lassen diesen Schluss zu. Ich erinnere mich kaum an ein Wort des Bedauerns über diese Tragödien, hingegen man sich verständnisvoll äußert gegenüber dem Mob, der heute nach Lynchjustiz schreit.
In augenscheinlich böswilliger Absicht spalten Sie das Land nach Vorgehensweise von AFD und Pegida. Machen selbst davor nicht halt, Opfer und deren Leid zu instrumentalisieren, indem sie mehr Leid und Kummer beschwören, auf das auch der letzte Zuwanderer unter Generalverdacht gestellt wird. Wie moralisch verkommen kann man sein? Wie ideologisch verblendet, nicht zu erkennen, dass eben diese nahezu faschistoide Terminologie des Hasses genau der entspricht, welcher sich rechtsradikale, rechtspopulistische und neonazistische Elemente bedienen.
Herr Seehofer, eine Gefahr für den Frieden in unserem Land geht nicht von angeblich zunehmender Entfremdung oder Islamisierung, nicht von Kopftuch- oder Burka-tragenden Frauen, nicht von muslimischen Kulturvereinen, betenden Menschen in Moscheen oder Menschen, die ein Stück weit ihre Identität und Traditionen im fremden Lande leben wollen, aus. Eine Gefahr besteht im zunehmenden Fremdenhass, zunehmender Ausgrenzung, Radikalisierung und der Haltung einer Bundesregierung, respektive eines Innenministeriums , die in ihrer Passivität gegenüber rechtsnationaler Entwicklung sehr an die Adenauer Regierung und deren Umgang mit den nationalsozialistischen Rudimenten in den eigenen Reihen erinnert.
Der Offenbarungseid, die Kapitulation dieser Regierung und ihrer Organe angesichts der wachsenden Zahl rechter Straftaten - Der Spiegel berichtet von 3718 Taten allein im ersten Halbjahr 2018 - angesichts der mangelnden Aufarbeitung und Ahndung begangener Gewaltdelikte von rechts, angesichts einer Partei, der AFD, die in unverhohlener Weise in Goebbels'scher Rhetorik NS-ideologische Werte propagiert und in diesem kranken Geist die drittgrößte Fraktion im Deutschen Bundestag stellt, ist längst ausgesprochen.
Dass jedoch diese Formen von demokratiezersetzenden, gewaltprovozierenden, fremdenfeindlichen bis hin zu rassenideologischen Methoden durch Amtsträger wie Ihnen und Ihrer Entourage in ihren geistlosen Thesen mit verursacht werden, ist unerträglich und
niemals zu billigen.