Ein Januarvormittag.
Nieselregen ergoss sich über die Stadt. Nebel war an jenem
Vormittag. Möglich aber auch, dass es über die Jahre zu einem
Trugbild meiner Erinnerung wurde, weil es einfach der Stimmung
entspricht, die ich im Folgenden zu schildern suche. Januar war es
jedoch. Nasskalt, wie für diese Jahreszeit charakteristisch. Glaube
ich.
Die kleine Gruppe, die sich um das in den Boden des
Opferplatzes eingelassenes Denk- bzw. Mahnmal bildete, schaute mehr
oder weniger interessiert in die Tiefe, in der sich ein weiß
gestrichener Raum, gesäumt von leeren Bücherregalen, ihrerseits
weiß, den Blicken öffnete.
Stille war unter den vielleicht
20 Umherstehenden. Angemessen, Andächtige Stille. Gleichgültige
Stille, nicht wissend, was man nun fühlen soll vor jener
Gedenkstätte. An jenem Ort. Wie aus dem Nichts schob er sich
zwischen die Schauenden. Bekleidet mit einem langen Mantel, den
Kragen hochgeschlagen. Trug er einen Hut? Schmal von Gestalt. Alt.
Die Hände tief in die Taschen vergaben. Schweigend. Gleich den
anderen. In die Tiefe schauend. Wie die anderen.
Was ihn
ausnahm war, dass er zu sehen schien. Das ihm die Bedeutung des
Platzes wie der historische Hintergrund nahe war.
Sehr nahe. Er
war schon einmal an diesem Ort, hörte ich ihn leise sprechen. Mit
behutsamer Stimme ergänze er seine Ausführungen um einige Worte.
Die anderen nahmen ihn kaum wahr. Ich hörte nicht was er sagte. Ich
sah ihn nur an. Sah ihm nach, bis er im Getriebe der Menge
verschwand, aus der er hervortrat.
Wer er war. Woher er kam. Wohin er ging. Was er meinte, als er sagte, ich war schon einmal hier. Ich weiß es nicht. Überlasse es der Phantasie des geneigten Lesers.