Als aufmerksamer Beobachter gängiger Unterhaltungsmedien, stelle ich mir seit geraumer Zeit die Frage, was dem Umstand zugrunde liegt, dass selbst namhafte Schauspieler, selbst die, die man bisher mehr auf der Theaterbühne sah als in TV-Sendeformaten, die eher der seichten Kategorie zugehören, ihre Profession im Polizeidienst finden?
Vordergründig mag dies in der erheblichen Zahl derer dieser Zunft liegen, die schlicht von ihrem Beruf nicht leben können. Laut Statistik liegt ihre Zahl bei rund 60 Prozent, also mehr oder weniger in der Notwendigkeit, nehmen zu müssen, was sich bietet, und sei es eben der Polizeidienst, oft nicht einmal im gehobenen Beamtenstatus. Mehr also der Uniformträger dieser Berufsgattung, die in TV-Serien, meist in denen, die im Vorabend-Programm ihren angestammten Platz finden, als ein wenig unterbelichtet dargestellt werden.
Was aber macht die Beliebtheit dieser Formate aus? Unzählige Serien flimmern Abend für Abend über den Bildschirm. Sonderkommissionen zahlreicher bekannter deutscher Städte ermitteln nach immer demselben Schema. Nahezu jede Folge beginnt mit einem mehr oder weniger spektakulären Mordfall, der sich nicht im Wesentlichen von den vorhergegangenen unterscheidet. Nicht einmal in dem standardisierten Anfangsdialog nahezu sämtlicher Episoden zwischen Ermittlungsleiter („Können sie schon etwas zur Todesursache sagen?“ ) und Gerichtsmediziner ("Genaueres nach der Obduktion!") Vielleicht ist es neben den vertrauten Gesichtern der Darsteller, den vertrauen Charakteren der jeweilige Figuren, die einem buchstäblich ans Herz wachsen, der Wiedererkennungswert nach dem Muster, über das sich auch die nicht unerheblichen Verkaufszahlen regionaler Krimiliteratur definieren. Die Straßenecke, das Café, der Parkplatz am Einkaufszentrum, den man kennt. Aber auch hier setzt man nach dramaturgischen Gesichtspunkten offenbar auf Unaufmerksamkeit des Konsumenten/Zuschauers. Dann nämlich, wenn sich das ehrgeizige und erfolgsverwöhnte Ermittlungsteam während der Verfolgungsfahrt beispielsweise am U-Bahnhof Schwanthaler Straße in München, nach der nächste Abbiegung an einem 25 Km entfernten Ort befindet.
Nichts gegen seichte Unterhaltung. Es muss ja nicht immer höchsten Ansprüchen genügen. Aber unterstes Niveau und dann in dieser Größenordnung?
Tucholsky hat es in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts einmal in der Frage: „Sag mal, verehrtes Publikum, seid ihr wirklich so dumm?"
ausgedrückt. „Es lastet ein Fluch auf dieser Zeit. Der Fluch, der Mittelmäßigkeit!“ Ich glaube, darin erklärt es sich. Damals wie heute. Wir brauchen diese „zuckrigen Sachen“, wie es weiter heißt im Gedicht, um uns abzulenken von der Last der Realität, die zweifellos unseren Alltag bestimmt. Ob dies nun Dummheit ist, wie Tucholsky es benennt, Erschöpfung oder schon Verzweiflung angesicht der eigenen Mittelmäßig, der eigenen Unbedeutsamkeit, sei dahingestellt.
Die Einschaltquoten, die sich teilweise irgendwo zwischen Tagesschau und Bundesliga bewegen, sprechen für sich. Und schlussendlich auch für die zu Beginn gestellte Frage. Warum wir uns lieber von so was berieseln lassen, als ins Theater zu gehen, um neben einem handverlesenen, guten Programm auch den Institutionen, die das ursprüngliche Schaffensgebiet der Schauspielkunst sind und die seit Anbeginn ihres Bestehens im Wesentlichen nicht mehr brauchen als eine Bretterbühne, einen Vorhang und Menschen, sei es vor oder auf der Bühne, die für sie brennen, die Existenzgrundlage zu sichern.