Donnerstag, 23. Mai 2019

"Wo dein sanfter Flügel weilt..."


Vierhundert Millionen Wahlberechtigte sind am kommenden Sonntag aufgerufen, über die Zusammensetzung des europäischen Parlamentes zu entscheiden. Vierhundert Millionen Menschen, die sich, der eine mehr, der andere weniger, die Frage stellen, fühle ich mich als Europäer? Ich habe meine Antwort auf die Frage in der Europahymne, respektive im Text der Ballade
„Ode an die Freunde“ gesucht, wenn sich die Hymne auch auf die Komposition Beethovens beschränkt, Schillers Text also geflissentlich weglässt.

Aber man wird sich ja seine Gedanken gemacht haben, als man dem Europarat 1972 dieses Stück vorschlug. Als man den europäischen Einheitsgedanken sicher auch in Schillers Text versinnbildlicht sah.

Wie dem auch sei, ich erkenne im Unterschied zwischen Text und dem, was die gegenwärtige Europapolitik ausmacht, den denkbar größten Gegensatz.
Die Hymne steht symbolisch für Einigkeit. „Alle Menschen werden Brüder...“
Die Hymne spricht nicht von Abgrenzung, nicht von Ausgrenzung, nicht von einer Festung, die es zu errichten und zu schützen gilt gegen alles, das dem Geschehen in ihrem Inneren nicht entspricht.

An den Außengrenzen Europas sterben beinahe täglich Menschen, weil sie sich anmaßen, ihren Anteil am Wohlstand des Kontinents einzufordern, der die Missstände, vor denen sie ihr Heimatland verlassen haben, mit verursacht hat.

Bewaffnete Schiffe einer Institution, bei deren Namen man bereits erstarrt 
– Frontex - patrouillieren an den Außengrenzen, während Besatzungen anderer Schiffe, die ihr Engagement und ihre Kraft humanitären Aufgaben unterstellt haben, mit allen juristischen Mitteln an ihrer Arbeit gehindert werden. In den Parlamenten der Mitgliedstaaten der EU diskutiert man, ob es sich bei der Rettung Ertrinkender um eine strafbare Handlung handelt. Diskutiert man, ob der Einsatz von Schusswaffen gegen unerwünschte Eindringlinge eine angemessene Maßnahme sei.

Dann die deutlichen Tendenzen Richtung rechts, die, späteres seit dem Einzug rechtsnationaler Parteien und Gruppierungen in die Parlamente, wieder salonfähig wurden. Parteien und ihre Demagogen, denen man bislang nichts weiter entgegenzusetzen hatte als empörtes Kopfschütteln und vereinzelte Zwischenrufe aus der Opposition, während genannte keine noch so pervertierte Weise zu schmutzig erscheint, ihren geistigen Unrat zu verbreiten.
Wenn man von den Verdiensten der Europäischen Union spricht, verweist man gern auf einen seit Generationen befriedeten Kontinent. Die Hunderttausend
Opfer des Balkankrieges, die militärischen Auseinandersetzungen und deren verheerende Folgen für die Zivilbevölkerung in den bewaffnete Konflikten zwischen Russland und der Ukraine, bei der Russland, lt. Bericht des Spiegel vom 15.03.2015 kurz davor stand, die Atomwaffen in Bereitschaft zu stellen,
die militärischen Auslandseinsatze in Konfliktgebieten und Krisenherden im
nahen Osten und Afrika, bei denen es, laut Aussage des ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köhler, nicht zuletzt um das „Offenhalten europäischer Handelswege“, also wirtschaftliche Interessen zum Erhalt des europäischen Wohlstandes geht, übersieht man gern.
Es ist eben von jeher ein Grundsatz in der Politik: Was der Sache nicht dient, wird nicht erwähnt.

Nein, ich fühle mich nicht als Europäer. Ich fühle mich als Weltbürger. Ich denke nicht deutsch, nicht europäisch, ich denke global, sei es im Sinne von Völkerverständigung, im Sinne der Wirtschaft, der Umweltpolitik. Wir brauchen kein „Europa der Vaterländer“ Dieses De Gaulle Zitat, das von Seiten der „Blue man group“ des Deutschen Bundestages so gern instrumentalisiert wird, wenn man mal wieder den Kniefall vor den Verdiensten der Wehrmacht im 2. Weltkrieg probt.

Wir brauchen ein Europa, das sich als Teil einer Welt- und Wertegemeinschaft sieht und sich aus dieser Position um Nachhaltigkeit und Verständigung im Sinne des großen Ganzen Bemüht. Solang dies nicht geschieht, erteile ich Europa eine Absage.

„Und wers nie gekonnt, der stehle Weinend sich aus diesem Bund!"