Ich
glaube, dass es besser wird. Ich glaube, dass die heranwachsende
Generation richten wird, was die mittlere und ältere Generation an
verbrannter Erde hinterlassen hat. Wenn ich, wie heute, durch meine
Stadt laufe, mein Weg mich am Demonstrationszug von rund 5000
Schülern vorbeiführt, die, wie jeden Freitag, weltweit mittlerweile
gegen die Folgen des Klimawandels, oder sagen wir, gegen eine Politik
und ein Bewusstsein, vielmehr, nicht vorhandenes Bewusstsein das
diesen erst ermöglicht, Parolen wie – wie
sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut
– skandieren, während Damen und Herren fortgeschritteneren Alters kopfschüttelnd, sich leise empörend am Straßenrand
stehen bzw. an grünen Tischen zusammensitzen, über Maßnahmen wie
Abmahnungen respektive Schulverweise diskutierend, weil eben sie, die
sich hier stark machen, die allgemeine Schulpflicht vernachlässigen,
dann nährt sich die Hoffnung, dass es eine Zukunft geben wird, in
der Werte wie Nachhaltigkeit, wie soziales Engagement gegenüber
Schwachen, Unterprivilegierten und dies nicht nur im unmittelbaren
Umfeld eines jeden Wahrnehmung, eine Chance hat.
Ich bleibe einen Moment
als abseitiger Beobachter des Geschehens stehen. Es regnet. Die
Temperaturen bewegen sich um null Grad. Schneefall setzt ein.
Schließlich lasse ich mich hineinziehen in den Zug. Marschiere mit,
gerate vom Rand immer tiefer in die Masse, die eine Einheit, eine
Kraft bildet, die in diesem Moment das darstellt, was Henry David Thoreau vor
200 Jahren als zivilen Ungehorsam bezeichnet hat.
Wir leben in einem
demokratischen Rechtsstaat, der laut Artikel 20 Grundgesetz alle Macht
dem Volke zuspricht. Diese Macht aber kann nicht ausschließlich
darin bestehen, alle vier Jahre an die Urne zu treten, um die zu
benennen, die die Geschicke der Gesellschaft vorläufig zu lenken
haben. Schon im Schreiben dieser Worte erkenne ich die Lächerlichkeit
ihrer Aussage. Wir wählen Parteien. Was schlussendlich daraus
entsteht, in welcher Konstellation sich Koalitionen
zusammenschließen, welche Kompromisse einzugehen sind, damit eine
Regierungsbildung überhaupt möglich ist, welche Ämter welcher
Partei im Rahmen der jeweiligen Koalitionsverträge zugetragen werden
und schließlich, wer sie am Ende besetzt, kaum zugemessen an
Kompetenz oder Sachverstand zum jeweiligen Ressort, liegt nicht mehr
in der Hand des Wählers. Worin bestehen also die Einflussnahme, die
Mittel der Machtausübung des Volkes? In einem Bewusstsein und einem
daraus resultieren Verhaltenskodex, an dem es uns jedoch fehlt. Darum, die
eigene Bequemlichkeit abzulegen, auch wenn es noch so schwer fällt
angesichts eines vollen Kühlschranks, angesichts der nächsten
Urlaubsreisen zu Billigtarifen, angesichts des Anspruchs, buchstäblich alles und zu jeder Zeit haben zu wollen.
Seit 30 Jahren diskutiert
die Welt über Klimawandel. Ein Klimagipfel folgt dem nächsten.
„Das Ziel muss es sein, den Anstieg der Welttemperatur in den
nächsten 25 Jahren auf 1,5 Grad zu reduzieren.“ Und während man
in weichen Polstern der Luxus Hotels zusammen sitzt, um Maßnahmen zu
erarbeiten, die am Ende doch nicht durchgesetzt werden, weil die
Lobby der Großindustrie den eigenen Profit und nicht den
Fortbestand eines lebenswerten Planeten vor Augen hat, weil eiligst wissenschaftliche Gutachten eingeholt werden, die jede Dystopie eines kommenden Klimakatastrophe als Farce herabwerten, werden weiterhin Autos produziert, die 30 Liter Kraftstoff verbrennen,
werden weiterhin die Meere mit Plastikmüll vergiftet, wird Energie
in Kohlekraftwerken produziert, für deren Brennstoffgewinnung Wälder
und Naturschutzgebiete vernichtet werden. All das ist niemandem
fremd. Aber all das betrifft uns nicht, weil wir nicht hinschauen.
Weil wir uns selbst den Blick auf einen Welt, die jenseits unseres
beschränkten Horizontes im Elend versinkt, verstellen unter
Zuhilfenahme vom 150 TV-Kanälen deren es mittlerweile bedarf, um die
Illusion einer bonbonfarbenen Irrealität aufrecht zu erhalten. Weil wir es bestenfalls,
wie erwähnt, in Super Dolby Surround Systemen am 3D-TV serviert
bekommen, und mit dem Bier in der Hand derartige Bilder anhand seines Unterhaltungswertes bemessen, der uns am Ende einen wohlig
kribbelnden Schauer über die Haut laufen lässt und uns bestenfalls
eine Äußerung wie „ach geht’s uns gut“ entlockt.
Ich marschiere noch ein
Stück mit. Lasse mich anstecken von dieser enormen Energie und
dieser Wut auf alles, das verhindert, dass es weitergeht mit der
Menschheit und ihrem Lebensraum.
Die Natur ist nicht in Gefahr. Der Mensch wird die Natur nicht vernichten. Es wäre vermessen, seinen Einfluss, sein Potenzial derart zu überschätzen. Aber er wird seinen Lebensraum vernichten. Er wird eine Umgebung schaffen, die ihn, sofern kein radikales Umdenken erfolgt, und zwar nicht in Dekaden von 25 oder 50 Jahren, nicht mehr zulässt.
Wir brauchen keine
Politik, der es um Eitelkeit und Selbstdarstellung geht. Die ein großteils ihres
Potenzials in innerparteilichen Konflikten vergeudet während
dringlichst Handlungsbedarf auf ganz anderen Ebenen besteht. Keine Parteien, die
Popkultur gleich die Inhalte und Ziele ihrer Programme durch
millionenschwere Werbekampagnen zu vermitteln versuchen, und am Ende,
in angestrebte Positionen gelangt, doch nur wieder die ausgetretenen
Pfade beschreitet. Keine Politiker, die sich
zu Hofschranzen der Wirtschaft machen lassen, weil ihnen eine
beispiellose Karriere in der Beletage und den Aufsichtsräten in
Aussicht gestellt wird.
Wir brauchen Menschen, die
das Heft in die Hand nehmen, ihre Stimme erheben, wie diese jungen
Leute heute in meiner Stadt.