Ich
schäme mich in zunehmendem Maß für dieses Land, das ich doch
liebe. Seine Menschen, seine kulturelle Vielfalt. Seine Sprache,
seine Literatur, seine Kunst, seine Geschichte …. Moment! Seine
Geschichte? Bedingt! Seine Gegenwart jedoch erfüllt mich mit Sorgen.
Mit Unverständnis. Mit Angst. In zunehmendem Maße entwickelt sich
ein Nationalgefühl, das man als solches schon kaum mehr bezeichnen
mag. Es überschreitet die Grenzen zum Nationalismus. Ich erinnere an
dieser Stelle an die Worte von Johannes Rau: „Ich bin gerne
Deutscher wie alle deutschen Patrioten und deshalb lehne ich
Nationalismus ab. Ein Patriot ist jemand, der sein eigenes Vaterland
liebt. Ein Nationalist ist jemand, der die Vaterländer der anderen
verachtet. Hüten wir uns daher vor allen nationalistischen Tönen…“
Kaum
ein Tag vergeht, da wir nicht von Übergriffen auf Fremde lesen.
„Fremde“ - was für ein abstrakter, seelenloser Begriff.
Menschen, die sich in tiefster Not befinden. Menschen, die aus
Ländern stammen, in denen sie um Freiheit und Leben fürchten
müssten. Menschen die Hilfe brauchen, weil sie alles zurücklassen
mussten. Weil sie buchstäblich nichts mehr besitzen als das, was man
in ein paar Taschen bei sich tragen kann. Ist uns das so fremd?
Unsere Generation hat kein Leid erfahren. Nicht in Europa. Nicht in
dieser in Maßlosigkeit kaum zu übertreffenden
Wohlstandsgesellschaft, der es an kaum etwas mangelt. Ich schäme
mich, wenn ich die Bilder und Berichte aus Meißen verfolge, wo
jüngst wieder ein Anschlag auf eine, Gott sei Dank noch nicht
bewohnte, Asylantenunterkunft, verübt wurde. Ich schäme mich
angesichts der Bilder einer grölenden, entfesselten Masse, die im
sächsischen Freital gegen eine Flüchtlingsunterkunft auf die Straße
geht, wobei Worte wie Schmarotzer, Kakerlaken, Gesindel etc. fallen.
Darunter
sind nicht nur junge Leute, denen man ein gewisses Maß an
Ungebildetheit zubilligen mag, sondern auch gestandene Menschen der
50er, 60er Jahrgänge, die es doch besser wissen müssten. Menschen,
die beim Aufbau Ost offensichtlich zu kurz gekommen sind. Die Tendenz
nach rechts in den ostdeutschen Bundesländern nimmt erschreckende
Dimensionen an. Ich frage mich, wovor man Angst hat? Vor den
Menschen, die selbst in Angst vor dem grölenden Mob die Unterkunft
nicht verlassen mögen? Vor den Kosten, die die Versorgung dieser
Menschen verursacht? Es gibt in diesem Zusammenhang noch einen
anderen Aspekt. Der durch die wachsende Zahl der Flüchtlinge
entstehende Unterkunftsbedarf wird zum Teil mit Wohncontainern
gedeckt. Diese Container, die einen äußerst geringen Komfort
bieten, werden z.T. von Privatunternehmen zu einem Preis von €
20.000.- pro Container angeboten. Das Geschäft mit den Flüchtlingen
ist offenbar äußerst einträglich. Für mich
stellen
dies Umstände dar, die an die Grenze der Legalität heranreichen.
Der
Deutschlandfunk berichtete kürzlich in einem Feature über das
Geschäft mit der Waren Mensch, bei dem mit verhältnismäßig
geringem Aufwand Millionengewinne erzielt werden.
Natürlich
ist es einfacher, auf die Schwächsten in dieser Abfolge
einzuprügeln. Sich über Zusammenhänge und Hintergründe zu
informieren, macht schließlich Mühe und setzt ein gewisses Maß an
Bildungswillen voraus, den ich weiten Teilen der grölenden Masse
einfach mal absprechen möchte.
Und
was geschieht in Berlin? Betroffene Gesichter. Deutliche Verurteilung
von Seiten der Damen und Herren die die Geschicke unseres Landes
lenken. Zusicherung, die Schuldigen zu ermitteln und nach geltendem
Gesetz zur Verantwortung zu ziehen, wenn mal wieder ein Brandsatz
flog, ein Mensch zu Boden geprügelt wurde, und so fort und immer
wieder. Und nichts ändert sich. Vereinzelt hört man von besonnenen
Größen aus der Politik, die sich beherzt in eigener Initiative
gegen rechts stellen, und die sich dann in Folge für ihr Verhalten
vor Gerichten verantworten müssen, weil es gegen geltendes Recht
verstieß, wie vor einigen Monaten in Thüringen, Ministerpräsident
Bodo Ramelow.
Ein
klares Bekenntnis aus Berlin bleibt jedoch aus. Ein Verbotsverfahren
gegen Parteien und Gruppierungen, die zur Gewalt aufrufen und sie
unterstützen, die Verbrechen vergangener Zeit leugnen, Opfer
verunglimpfen, ja – Ideologien, in deren Namen unermessliches Leid
geschah, heute erneut heraufbeschwören, scheitert zum wiederholten
Male bereits in der Vorbereitung.
Die
gegenwärtige Fehlbesetzung im Schloss Bellevue, unsere
fleischgewordene Trennung von Staat und Kirche, vergisst regelmäßig
ihre theologisch - moralischen Grundsätze, wenn sie einerseits zwar
aufruft zu Solidarität und Dialog mit anderen Kulturen, sich
andererseits aber zu Ereignissen aus der deutschen Geschichte, wie
aktuell dem Massaker an den Hereros vor 110 Jahren, in Schweigen
hüllt, weil man es doch nicht ohne Weiteres als Völkermord
betrachten möchte, galt es doch vordergründig dem Schutze so mühsam
geschaffener Infrastruktur der deutschen Kolonialisten.
Deutschland
ist eben doch Deutschland. Und Siege, die mit deutschen Waffen
errungen werden … ich möchte diesen Satz schon aus Selbstschultz
nicht fortsetzen.
Fazit:
Ja, ich schäme mich für dieses Land. Ich denke, wir sind der
Weltgemeinschaft einiges schuldig. Laut Bericht von
Pro
Asyl sind zurzeit weltweit mehr als 50 Millionen Menschen auf der
Flucht. Mehr als 25.000 Menschen fanden allein bei dem Versuch Europa
zu erreichen, den Tod.
Laut
UN-Berichten finden gegenwärtig mehr als 30 Kriege auf der Welt
statt. Manch einer, der sein Land in Todesangst verlässt, tut dies
auch aus Angst vor deutschen Waffen.
Mit
welchen Begriffen schmiss man in Freital gleich um sich? Kakerlaken,
Schmarotzer, Nutznießer, Parasiten…
Wenn
man Dummheit doch unter Strafe stellen könnte.