Ich
befinde mich nicht unbedingt für einen Menschen, der sich jedweder
Form des Fortschrittes ablehnend oder skeptisch gegenüberstellt.
Gut, es mag unzeitgemäß erscheinen, wenn ich meinen Kaffee lieber
nach klassischer Art aufbrühe, statt ihn in einem chromglänzenden
High-Tech-Automaten zuzubereiten, der nach erbärmlich asthmatisch
anmutenden Geräuschen lediglich einzelne Tassen zu Tage fördert.
Auch besitze ich keine 3 Handys mit jeweils unterschiedlichen
Netzverträgen, um stets die preiswerteste Verbindungsrate nutzen zu
können.
Unter
uns gesagt, ich habe nicht einen einzigen Handyvertrag, nutze seit
Beginn dieser segensreichen Erfindung lediglich die Prepaid Variante.
Auch
mein Navi nutze ich wirklich nur, wenn ich überhaupt nicht weiter
weiß. An der Tankstellenkasse leiste ich mir den Luxus, noch selbst
auszuwählen, was ich zusätzlich benötige. „Sie haben sicher
noch nicht unser absolut einmaliges Sonderangebot gesehen: 2
Schokoriegel zum Preis von einem und sicher doch noch einen Kaffee
dazu?“ Ein „Nein danke!“ lässt diese Art der Fragestellung
gar nicht zu!
Zugegeben.
Mein Konsumverhalten ist wirklich erbärmlich, bemessen an der
Werbeindustrie, die mir tagtäglich vor Augen führt, was ich
brauche, um ein besserer, bestimmt aber ein glücklicher Mensch zu
sein.
Die
Buchhandlung meines mittlerweile (Misstrauens) Vertrauens versucht
mir seit geraumer Zeit die Vorzüge eines e-Readers zu vermitteln.
„Kennen
sie schon den neuen - KINDL TOUCH – ?“ fragt mich das blonde
Gift, das mehr oder weniger elegant, auf halsbrecherischen High Heels
auf mich zugetänzelt kommt und mit glockenheller Stimme die Vorzüge
dieser technischen Revolution erklärt. So leicht und kompakt, dass
sie ihn überall mit hinnehmen können. (Das
kann ich auch mir einem Buch)Ja
- aber man kann die Unzahl von rund 3000 Büchern auf ihm speichern.
(Ok.
Das sehe ich als Vorteil. 3000 Bücher mit sich herumschleppen zu
müssen, ist nicht ohne. Das stelle man sich mal bildlich vor) Ein
weiterer Vorteil, man kann auf ihm wie auf echtem Papier, also wie in
einem richtigen Buch lesen (Wow! Und
warum dann nicht gleich ein Buch?)
Ok. Die Dame auf dem Werbebanner, braungebrannt und makellos, sich in
lasziver Pose am Pool räkelnd, überzeugt mich allerdings. Gibt es
die dazu?
Aber
mal ernsthaft. Der Gedanke, dass ich meine mittlerweile recht
umfassende Privatbibliothek auf das räumliche Format einer Postkarte
reduzieren soll, erfüllt mich nicht wirklich mit Freude. Für mich
fällt diese Absurdität der Technik ganz klar unter die Rubrik
„Dinge die die Welt nicht braucht!“
Nein
– ich bevorzuge den klassischen Buchladen, deren Präsenz
vielleicht ein wenig zurückgegangen ist, die es aber, trotz
ungünstiger Prognosen, nach wir vor gibt und die sich, ich bete
darum, selbst neben dem mittlerweile marktbeherrschenden
Großunternehmen wir Hugendubel, Thalia u.a. Buchsupermärkten, deren
durchgestyltes, föhnfriesiert, wasserstoffblondes Personal auf mein
Anliegen, ob sie ein Exemplar von Zettels Traum vorrätig hätten, in
die Abteilung für Schreibwaren verweist, durchsetzen werden.
Wenn
das Sortiment auch übersichtlicher erscheint: Der Service und die
individuellere Beratung, die persönlichen Dinge, die ich hier
erlebe, ich fühle mich gemeint, man setzt sich mit meinem Anliegen
auseinander, man kennt mich…
An
dieser Stelle möchte ich auf einen Band, der mir kürzlich in die
Hände fiel, aufmerksam machen. Sein Titel. „Breitseite Berlin“
(übrigens nur als Printausgabe erhältlich)
Hier
steht es geschrieben, was kaum besser auszudrücken ist:
Textauszug: Breitseite
Berlin
Von
Norden laufen drei, von Süden zwei Straßen auf den von der
verkehrsreichen Kantstraße durchschnittenen Savignyplatz zu. Die zum
Steinplatz weiterführende Carmerstraße ist eine Art Paradestraße
der westdeutschen Literatur. Im Haus Nr. 10 hat die
Autorenbuchhandlung ihr Domizil. Literarische Buchhandlungen sind die
Oasen des Einzelhandels; in ihnen kann man erfrischen von den
Strapazen der alltäglichen Wüstenwanderung. Hier sagt das Buch
nicht „ kauf mich!“ Es sagt „ lies mich!“ Der Warenpreis
tritt in den Hintergrund und schafft Raum für den eigentlichen Wert.
Wie in guten Restaurants ist beiden Seiten der Akt des Kassierens und
Zahlens eher unangenehm. Wie oft habe ich erlebt, dass das Gespräch
zwischen Buchhändler und Kunde keinerlei Unterbrechung erfuhr,
obwohl doch gerade ein Geschäft abgewickelt, ein Schein auf den
Bücherstapel gelegt und Wechselgeld in Empfang genommen wurde. Das
Buch aber wurde überreicht wie ein kostbares Geschenk. Das ist der
Unterschied zwischen Freiheit und Notwendigkeit. Bereits die Auswahl
des Sortiments verrät dem Leser, in welches Haus er seinen Schritt
lenkt. Wo er nur auf Massenware stößt, wird er als Herdentier des
Kulturkonsums angesehen und entsprechend abgespeist. Wo man sich
dagegen den Luxus leistet, eine große Auswahl von Gedichtbänden
vorrätig zu halten und kleinen aber feinen Editionen Raum zu geben,
traut man sich Kennerschaft zu und appelliert an den literarischen
Feinschmecker. Dieses Kompliment gibt man durch häufige Besuche
zurück. Die Autorenbuchhandlung ist so ein Ort, wo man sich
gegenseitig die Ehre erweist. Wie die Zeiten aber alles andere als
romantisch sind, gilt der Respekt von uns Lesern einer Buchhändlerin,
der es über Jahrzehnte gelungen ist, mit ihren schwierigen Waren zu
handeln.
Kann
dieses Erleben jemals der Online-Buchhandel oder das Downloaden von
Texten vermitteln?
Einen
Buchladen zu betreten, zwischen den Regalen herumzustöbern, das ein
oder andere Buch fast liebevoll zur Hand nehmen. Es fühlen. Der fast
intime Moment, wenn man es aufschlägt, den Duft frischen Papiers und
Druckerschwärze inhaliert – Warnhinweis – Das
Konsumieren eines Printwerkes kann zu erheblichen gesundheitlichen
Schäden führen – In ihm blättern und vielleicht ein
paar Passagen lesen. Es zurückstellen ins Regal oder zur Kasse
gehen, es schließlich nach Hause tragen und in musevollen Stunden in
ihm versinken.
Dies
und vieles mehr, das mir das Medium „Buch“ vermittelt, werde ich
mir nie nehmen lassen. Daher kann mir nie eine andere Darbietungsform
diese für mich wichtigste Erfindung der Menschheit, den Buchdruck,
ersetzen.
Ich
möchte noch mal ergänzen:
Ich
stelle mich gewiss nicht gegen technische Entwicklungen. Friste kein
zurückgezogenenes Einsiedlerdasein in der Welt technischer
Neuheiten. Was ich hingegen anklage, ist der Verlust des
differenzierten Denkens. Der Entmündigung, der wir uns unterwerfen,
ohne es zu merken. Was wir brauchen, entscheiden nicht mehr wir. Was
uns ein schöneres, interessanteres und facettenreicheres Leben
bereiten soll, ist nichts als Kommerz und das gezielte in Ketten des
Konsumterrors schlagen. Das wichtigste Gut des Menschen jedoch ist
der Verstand. Die größte Freiheit ist die des freien Denkens. Und
die ist in Gefahr.