Mittwoch, 26. August 2015

25 Jahre Mauerfall


25 Jahre Mauerfall. Eine Generation. Die Bilder so präsent wie im Jahr der Ereignisse selbst. Die Kraft dieser Bilder ist ungebrochen. Zu Recht wurde das Dokumentationsmaterial jüngst von der UNESCO in den Bestand des Weltkulturerbes übernommen. Die Stimmen, die immer wieder von den Ereignissen um den 9. November berichten, wie alles begann, wie es in Leipzig, Dresden, Berlin und vielen anderen Orten der DDR verlief, lösen noch heute tiefe Emotionen aus.
Ich selbst war 27 Jahre alt, als ich im Auto auf dem Weg von Hamburg nach München die tränenerstickten Worte eines Journalisten hörte, dass das Unfassbare geschehen sei!
Aber es wird der Tag kommen, an dem die Stimmen laut werden, dass es genug der Erinnerung sei. Wir kennen es von einem anderen Kapitel der deutschen Geschichte. Ein Ereignis, das drei Generationen zurückliegt und dessen Aufarbeitung bis heute nicht abgeschlossen ist. – Wie müssen es verhindern, dass mit der Aufarbeitung der DDR-Geschichte so nachlässig umgegangen wird, wie es in den Jahren nach dem Ende des Nationalsozialismus geschah!
Aber stellen wir uns noch einmal die Frage, wer die Protagonisten dieses Umsturzes waren? Natürlich entschied sich der letzte „Akt“, der schließlich zum alles entscheidenden führte, auf der Bühne der Politik. Natürlich war es ein Akt der Diplomatie zischen den Ost- und Westmächten. Zu erwähnen an dieser Stelle vielleicht auch, dass die Wiedervereinigung manchen Nachbarn alles andere als gelegen kam. Mit allen Mitteln versuchte Margaret Thatcher den Verlauf der Geschichte zu verhindern. Für Francois Mitterrand war es mehr ein großer Deal. Er sagte Kohl die uneingeschränkte Unterstützung zu, wenn dieser der europäischen Währungsunion zustimmte. Andernfalls …?
Aber darum soll es hier nicht gehen. Den Stein ins Rollen brachten nicht die Damen und Herren der Regierung(en), wie es ein bereits erwähnter Herr, der über 16 Jahre die Geschicke unseres Landes lenkte, so gerne darstellt. Jüngst äußerte sich eben dieser vergreiste, von Krankheit gezeichnete, von der Geschichte vergessene Herr insofern, dass es lächerlich sei anzunehmen, dass den Hunderttausende, die auf die Straße drängten und
Freiheitsparolen skandierten, zuzuschreiben sei. Er äußerte sich noch viel direkter. Zitat: „Gorbatschow sei - am Arsch des Propheten gewesen - und hätte unter dem Druck des Westens gar nicht mehr anders handeln können.“
Mal ehrlich: Kann diesem Mann mal jemand den Mund verbieten?
Ich habe die Bilder seines jüngsten Auftritts in der Öffentlichkeit vor Augen, als er auf der Buchmesse 2014 sein zuletzt erschienenes Werk präsentierte, das nun endlich die einzig gültige Wahrheit über 16 Jahre Amtszeit enthalten soll. Das Licht ins Dunkel der zahlreichen Ungereimtheiten wie Parteispenden- und Stasiunterlagen-Affäre etc. bringen soll!
Der Mann, der nicht weniger als fünfmal als Bundeskanzler den Eid auf die Verfassung geschworen hatte und in dieser Position kontinuierlich diesen missachtete, indem er geltendes Recht missbrauchte. Dieser Mann, den lediglich eine glückliche Fügung des Schicksals zum „Kanzler der Einheit“ stilisierte, maßt sich an, über Menschen zu urteilen, die Freiheit und Leben riskierten, um einen Staatsapparat zu Fall zu bringen, der den Begriff der „Demokratie“, den er im Namen führte, zum Treppenwitz verkommen ließ.  
Ich denke, es ist es nichts als Verbitterung, die aus diesem Mann spricht, der auf so unnachahmliche Weise sein Amt führte. Der die Öffentlichkeit wie die Presseorgane so gern als dummen Jungen diffamierte. Dem so vehement daran gelegen war, die Aufarbeitung der Stasiunterlagen zu blockieren? – Ein Schelm, wer etwas Unrechtes dahinter vermuten mag …
Man sollte wissen, wann es vorbei ist, Herr Kohl. Wenn die Musik nicht mehr spielt, sollte man die Manege nicht mehr betreten.
Brecht sprach von Widerstand, der zur Pflicht würde, wenn Unrecht zu Recht verkommt. Henry David Thoreau nannte es „die Pflicht zum zivilen Ungehorsam gegenüber dem Staat“.
Ziviler Ungehorsam hat die Fesseln gesprengt und die Freiheit erzwungen. Infolgedessen muss es heute die Pflicht sein, die Schuldigen zu ermitteln und zur Rechenschaft zu ziehen.
Dies muss die Aufgabe der kommenden Jahre sein. Man ist es denen schuldig, die unter einem menschenverachtenden System litten, das sich 1949 zur Aufgabe machte, eine bessere Gesellschaftsform zu gründen. Eine
Gesellschaftsform, die sich auf marxistische Grundsätzen stützt, die dann jedoch auf so schändliche und kriminelle Weise missachtet wurden.
Die Tränen der Freude 1989/1990 waren kaum getrocknet, als hie und da Stimmen laut wurden, die das Rad der Geschichte gern wieder zurückgedreht hätten, weil es doch nicht so einfach und unproblematisch war, wie in Aussicht gestellt. Weil die blühenden Landschaften nicht ohne Weiteres aus dem Nichts entstanden. Weil die Einheit nicht aus der Portokasse zu finanzieren war (Zitat: Kohl). Weil der Solidaritätszuschlag nicht nur für ein Jahr, wie in Aussicht gestellt, erhoben wurde (Regierung Kohl). Weil – nennen wir es beim Namen – ein marodes unwirtschaftliches Land nicht mit wunderschönen Videorekordern, hochtechnisierten und Haushaltsgeräten zu „befrieden“ war.
Ein Land, das nur wenige Jahre vor der Wende mit einem Milliardenkredit am Leben erhalten werden musste.
Ich denke, es sind die perfiden Lügen, derer man sich so gern bedient zwecks Manipulation der Wählergunst – die schlussendlich Unzufriedenheit hervorrufen. Wenn die Wahrheit offensichtlich wird, kann dies nur Frust und Unzufriedenheit mit sich bringen.
Aber noch mal zur Aufarbeitung der Vergangenheit. Lassen wir die Magie der Zahlen auf uns wirken, auch wenn sie niemandem mehr fremd sind. 160 km Aktenmaterial. 15.000 Behältnisse von Fragmenten, die im letzten Akt der DDR in aller Eile vernichtet werden sollten, befinden sich heute noch unbearbeitet in den Archiven. Nach herkömmlichen Arbeitsmethoden würde es 500 Jahre dauern, diese zu rekonstruieren. Das Fraunhofer- Institut Berlin hat in 4-jähriger Arbeit einen Hochleistungsscanner entwickelt, der diese Arbeit um ein Vielfaches vereinfacht. Der Bundesregierung liegt nun der Kostenplan für die Finanzierung dieses Projektes zur Genehmigung vor. Man darf gespannt sein: Wieder geht es um die Frage, ob die Aufarbeitung vorangetrieben werden sollte.
Ist es dem ein oder anderen des „Hohen Hauses“ vielleicht doch nicht so recht, aus Angst, dass Namen fallen, die wir heute noch gar nicht in einen Zusammenhang mit der Geschichte der DDR bringen? Hat doch noch der eine oder andere Angst um seinen Kopf?
Wie auch immer. Mancher verstand es, selbigen aus der Schlinge zu ziehen und heute vor der Öffentlichkeit seine Hände in Unschuld zu waschen. Nichts ist offenbar vergänglicher als das Gedächtnis der Täter.
Wenn wir heute die jüngste Debatte in Thüringen verfolgen, wo ein rot-rot-grünes Bündnis zur Diskussion steht, sofern die „Linken“ ein Papier unterschreiben, welches die DDR offiziell als Unrechtsstaat bezeichnet, was in den Reihen der Linksfraktion teilweise auf Unverständnis und Empörung stößt, möchte man schon verzweifeln über so viel Dummheit und Ignoranz derer, die die Geschicke des Volkes lenken.