25 Jahre Mauerfall. Eine Generation. Die Bilder so präsent wie im Jahr der Ereignisse selbst. Die Kraft dieser Bilder ist ungebrochen. Zu Recht wurde das Dokumentationsmaterial jüngst von der UNESCO in den Bestand des Weltkulturerbes übernommen. Die Stimmen, die immer wieder von den Ereignissen um den 9. November berichten, wie alles begann, wie es in Leipzig, Dresden, Berlin und vielen anderen Orten der DDR verlief, lösen noch heute tiefe Emotionen aus.
Ich
selbst war 27 Jahre alt, als ich im Auto auf dem Weg von Hamburg nach
München die tränenerstickten Worte eines Journalisten hörte, dass
das Unfassbare geschehen sei!
Aber
es wird der Tag kommen, an dem die Stimmen laut werden, dass es genug
der Erinnerung sei. Wir kennen es von einem anderen Kapitel der
deutschen Geschichte. Ein Ereignis, das drei Generationen zurückliegt
und dessen Aufarbeitung bis heute nicht abgeschlossen ist. – Wie
müssen es verhindern, dass mit der Aufarbeitung der DDR-Geschichte
so nachlässig umgegangen wird, wie es in den Jahren nach dem Ende
des Nationalsozialismus geschah!
Aber
stellen wir uns noch einmal die Frage, wer die Protagonisten dieses
Umsturzes waren? Natürlich entschied sich der letzte „Akt“, der
schließlich zum alles entscheidenden führte, auf der Bühne der
Politik. Natürlich war es ein Akt der Diplomatie zischen den Ost-
und Westmächten. Zu erwähnen an dieser Stelle vielleicht auch, dass
die Wiedervereinigung manchen Nachbarn alles andere als gelegen kam.
Mit allen Mitteln versuchte Margaret Thatcher den Verlauf der
Geschichte zu verhindern. Für Francois Mitterrand war es mehr ein
großer Deal. Er sagte Kohl die uneingeschränkte Unterstützung zu,
wenn dieser der europäischen Währungsunion zustimmte. Andernfalls
…?
Aber
darum soll es hier nicht gehen. Den Stein ins Rollen brachten nicht
die Damen und Herren der Regierung(en), wie es ein bereits erwähnter
Herr, der über 16 Jahre die Geschicke unseres Landes lenkte, so
gerne darstellt. Jüngst äußerte sich eben dieser vergreiste, von
Krankheit gezeichnete, von der Geschichte vergessene Herr insofern,
dass es lächerlich sei anzunehmen, dass den Hunderttausende, die auf
die Straße drängten und
Freiheitsparolen
skandierten, zuzuschreiben sei. Er äußerte sich noch viel direkter.
Zitat: „Gorbatschow sei - am Arsch des Propheten gewesen - und
hätte unter dem Druck des Westens gar nicht mehr anders handeln
können.“
Mal
ehrlich: Kann diesem Mann mal jemand den Mund verbieten?
Ich
habe die Bilder seines jüngsten Auftritts in der Öffentlichkeit vor
Augen, als er auf der Buchmesse 2014 sein zuletzt erschienenes Werk
präsentierte, das nun endlich die einzig gültige Wahrheit über 16
Jahre Amtszeit enthalten soll. Das Licht ins Dunkel der zahlreichen
Ungereimtheiten wie Parteispenden- und Stasiunterlagen-Affäre etc.
bringen soll!
Der
Mann, der nicht weniger als fünfmal als Bundeskanzler den Eid auf
die Verfassung geschworen hatte und in dieser Position kontinuierlich
diesen missachtete, indem er geltendes Recht missbrauchte. Dieser
Mann, den lediglich eine glückliche Fügung des Schicksals zum
„Kanzler der Einheit“ stilisierte, maßt sich an, über Menschen
zu urteilen, die Freiheit und Leben riskierten, um einen
Staatsapparat zu Fall zu bringen, der den Begriff der „Demokratie“,
den er im Namen führte, zum Treppenwitz verkommen ließ.
Ich
denke, es ist es nichts als Verbitterung, die aus diesem Mann
spricht, der auf so unnachahmliche Weise sein Amt führte. Der die
Öffentlichkeit wie die Presseorgane so gern als dummen Jungen
diffamierte. Dem so vehement daran gelegen war, die Aufarbeitung der
Stasiunterlagen zu blockieren? – Ein Schelm, wer etwas Unrechtes
dahinter vermuten mag …
Man
sollte wissen, wann es vorbei ist, Herr Kohl. Wenn die Musik nicht
mehr spielt, sollte man die Manege nicht mehr betreten.
Brecht
sprach von Widerstand, der zur Pflicht würde, wenn Unrecht zu Recht
verkommt. Henry David Thoreau nannte es „die Pflicht zum zivilen
Ungehorsam gegenüber dem Staat“.
Ziviler
Ungehorsam hat die Fesseln gesprengt und die Freiheit erzwungen.
Infolgedessen muss es heute die Pflicht sein, die Schuldigen zu
ermitteln und zur Rechenschaft zu ziehen.
Dies
muss die Aufgabe der kommenden Jahre sein. Man ist es denen schuldig,
die unter einem menschenverachtenden System litten, das sich 1949 zur
Aufgabe machte, eine bessere Gesellschaftsform zu gründen. Eine
Gesellschaftsform,
die sich auf marxistische Grundsätzen stützt, die dann jedoch auf
so schändliche und kriminelle Weise missachtet wurden.
Die
Tränen der Freude 1989/1990 waren kaum getrocknet, als hie und da
Stimmen laut wurden, die das Rad der Geschichte gern wieder
zurückgedreht hätten, weil es doch nicht so einfach und
unproblematisch war, wie in Aussicht gestellt. Weil die blühenden
Landschaften nicht ohne Weiteres aus dem Nichts entstanden. Weil die
Einheit nicht aus der Portokasse zu finanzieren war (Zitat: Kohl).
Weil der Solidaritätszuschlag nicht nur für ein Jahr, wie in
Aussicht gestellt, erhoben wurde (Regierung Kohl). Weil – nennen
wir es beim Namen – ein marodes unwirtschaftliches Land nicht mit
wunderschönen Videorekordern, hochtechnisierten und Haushaltsgeräten
zu „befrieden“ war.
Ein
Land, das nur wenige Jahre vor der Wende mit einem Milliardenkredit
am Leben erhalten werden musste.
Ich
denke, es sind die perfiden Lügen, derer man sich so gern bedient
zwecks Manipulation der Wählergunst – die schlussendlich
Unzufriedenheit hervorrufen. Wenn die Wahrheit offensichtlich wird,
kann dies nur Frust und Unzufriedenheit mit sich bringen.
Aber
noch mal zur Aufarbeitung der Vergangenheit. Lassen wir die Magie der
Zahlen auf uns wirken, auch wenn sie niemandem mehr fremd sind. 160
km Aktenmaterial. 15.000 Behältnisse von Fragmenten, die im letzten
Akt der DDR in aller Eile vernichtet werden sollten, befinden sich
heute noch unbearbeitet in den Archiven. Nach herkömmlichen
Arbeitsmethoden würde es 500 Jahre dauern, diese zu rekonstruieren.
Das Fraunhofer- Institut Berlin hat in 4-jähriger Arbeit einen
Hochleistungsscanner entwickelt, der diese Arbeit um ein Vielfaches
vereinfacht. Der Bundesregierung liegt nun der Kostenplan für die
Finanzierung dieses Projektes zur Genehmigung vor. Man darf gespannt
sein: Wieder geht es um die Frage, ob die Aufarbeitung vorangetrieben
werden sollte.
Ist
es dem ein oder anderen des „Hohen Hauses“ vielleicht doch nicht
so recht, aus Angst, dass Namen fallen, die wir heute noch gar nicht
in einen Zusammenhang mit der Geschichte der DDR bringen? Hat doch
noch der eine oder andere Angst um seinen Kopf?
Wie
auch immer. Mancher verstand es, selbigen aus der Schlinge zu ziehen
und heute vor der Öffentlichkeit seine Hände in Unschuld zu
waschen. Nichts ist offenbar vergänglicher als das Gedächtnis der
Täter.
Wenn
wir heute die jüngste Debatte in Thüringen verfolgen, wo ein
rot-rot-grünes Bündnis zur Diskussion steht, sofern die „Linken“
ein Papier unterschreiben, welches die DDR offiziell als
Unrechtsstaat bezeichnet, was in den Reihen der Linksfraktion
teilweise auf Unverständnis und Empörung stößt, möchte man schon
verzweifeln über so viel Dummheit und Ignoranz derer, die die
Geschicke des Volkes lenken.