Dienstag, 08. März 2022
Wenn eintritt, was nie geschehen dürfte, was nehme ich dann mit? Zunächst stellt sich die Frage, wohin nehme ich es mit? Wohin gehen? Flucht. Ein Begriff, dessen Gegenstand in unserer Generation doch nur die anderen betrifft. Im Fernsehen sieht man es täglich. Flüchtlinge aus Kriegs- und Krisengebieten in Nahost. Aus Syrien, Afghanistan, dem Jemen. Persönlicher Besitz reduziert auf das, was man bei sich tragen kann. Ein Koffer pro Person. Vielleicht eine Tasche. Ein Rucksack, wenn überhaupt. Kann man sich vorbereiten auf so eine Situation, die trotz Allgegenwärtigkeit in Dauerschleife medialen Berichterstattung etwas Surreales hat?Nein, uns betrifft es nicht. Uns erreicht es nicht in unserer Komfortzone aus Selbstverständlichkeiten, die wir uns verdienten durch Strebsamkeit, Sparsamkeit, Sicherheitsdenken, stets das Ziel einer sorglosen Existenz vor Augen. An Wert gewinnen die Dinge nicht zuletzt dadurch, dass eine andere Realität uns täglich durch die erwähnten Medien vor Augen geführt wird. Immer jedoch auf sichere Distanz.
Eines Tages überwand es die Barriere der Anonymität. Eines Tages klopfte es buchstäblich an die Tür. Das Gesicht des Krieges. Eines seiner vielen Gesichter.
Flüchtlinge, bepackt mit eiligst zusammengeklaubten Habseligkeiten. Im Geiste Erinnerungen an vergangene, bessere Zeiten. In den Augen Angst vor der Fremde. Vor Perspektivlosigkeit.
All das war gestern. All das ist heute. Doch morgen schon sind wir es vielleicht, die gehen müssen, weil bleiben unter Umständen das Leben kostet.
Sind wir vorbereitet auf diesen Moment?
Ich schaue mich um in meinen Räumen. Stelle mir die Frage, was liegt mir am Herzen? Was möchte ich unter keinen Umständen zurücklassen? Ich gehe durch meine Zimmer? Sortiere in Gedanken nach Nutzwert und Überfluss. Es fällt schwer.
Alles, was ich besitze, ist mit Liebe zusammengetragen. Mit Liebe arrangiert zu einem Abbild meiner selbst. Meiner Interessen. Meines Lebens. Meine unzähligen Bücher. Die Bücherschränke. Die Bilder...
Was findet Platz in einem Koffer, einer Tasche, einem Rucksack vielleicht? Ein paar Kleidungsstücke. Papiere, Ein paar wenige Bücher. Nichts weiter. Kein überflüssiger Ballast auf dem Weg ins Ungewisse. In die Perspektivlosigkeit. Im Geiste Erinnerungen an bessere Zeiten. In den Augen Angst, zunächst davor, das Gewohnte nie mehr zu erlangen. Morgen vielleicht schon Angst um das nackte Leben.