Samstag, 25. August 2018



Selten wurde mir die Rohheit und Verkommenheit unserer Gesellschaft derart bewusst, wie in diesen Tagen, da ein Thema die Medienlandschaft bestimmt wie kein anderes. Das Thema des zunehmenden Flüchtlingsstromes aus den ärmsten Regionen der Erde. In sogenannten sozialen Netzwerken macht man mobil gegen die angeblich drohenden Gefahren.
Die Argumente, mit denen hier um sich geworfen wird, geben das Bild einer Gesellschaft wieder, zu der ich mich nicht zugehörig fühlen mag. Es fallen Begriffe wie Schmarotzer, Urlauber auf Kosten der Steuerzahler, Kakerlaken, Viehzeug und Schlimmeres. Landesweite Proteste, Gewaltakte rechter Elemente. Ohnmacht und Handlungsunfähigkeit der Staatsgewalt. Übergriffe auf Einrichtungen und Menschen, die nichts anderes suchen als Schutz bzw. eine halbwegs gesicherte Existenz. Ich lese Kommentare wie „Lasst sie doch ersaufen. Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um.“ Es ist an Widerlichkeit kaum zu überbieten. Dummheit, grenzenloser Egoismus, Feindseligkeit, wie sie schlimmer kaum sein kann, machen sich breit und nehmen beängstigende Dimensionen an. Wie moralisch verkommen kann man sein, dass man in diesen Menschen vordergründig kriminelles Potential sieht? „Meine Frau traut sich abends nicht mehr allein auf die Straße“, höre ich einen Passanten in einer Ostdeutschen Kleinstadt sagen.
Ich will gar nicht im Abrede stellen, dass der Eine oder Andere unter ihnen ist, der die Möglichkeit sieht, leichtes Geld zu verdienen. Das lässt sich zur Gänze nicht ausschließen. Aber gibt das Grund, alles zu pauschalisieren? Ich selbst wurde beschimpft und beleidigt, als ich den Vorschlag machte, mit den Menschen zu sprechen. Sich ihre Geschichten anzuhören. Ihnen in die Augen zu schauen und vielleicht ein wenig sein Herz zu öffnen. Kaum einer macht sich die Mühe. Es ist ja einfacher, mit dem Mob zu grölen, als sich einen, sofern möglich, objektiven Eindruck zu verschaffen. Es geht hier um Menschen. Um Mitglieder der Weltgemeinschaft. Anderen, die helfen, wird Eigennutz und Profitdenken vorgeworfen. Der Schauspieler Till Schweiger sei erwähnt, der sich verdient macht um eine Einrichtung, die er finanzieren wird. Ihm sagt man selbstgerechte Eigenpropagada nach. Dem Journalist und Nachrichtenmoderator Claus Kleber, der dieser Tage von einem Busfahrer berichtete, der durch eine besondere Geste den Flüchtlingen Willkommen signalisierte, wird vorgehalten, er würde sich zwecks Steigerung seiner eigenen Popularität selbst darstellen, als ihm während des Berichtes die Stimme brach.
Woher kommt dieser Argwohn, dieser Hass? Aus der Angst, der unermessliche Wohlstand, in dem wir leben, gerate in Gefahr? An was fehlt es uns denn? Leiden wir wirklich Mangel? Besteht akute Gefahr, dass wir in Not geraten und selbst um Hilfe ersuchen müssen? Ganz sicher nicht!
Natürlich, es fällt auch bei uns mancher durch das soziale Netz. Problemen wie Obdachlosigkeit und anderen soziale Missstände, fehlenden Kindertagesstätten usw. begegnen wir auch in den eigenen Reihen. Menschen, die in sozialen Einrichtungen täglichen Dienst verrichten und hierfür eine, bemessen an dem was sie leisten, zu geringe Entlohnung erfahren. Mancher fühlt sich alleingelassen mit seinen Ängsten, wenn es offensichtlich wird, dass er allein seine Familie nicht mehr ernähren kann. Wenn der Partner eine Nebentätigkeit annehmen muss, um über die Runden zu kommen. Das sei alles mit eingebracht in die Diskussion. Aber dennoch denke ich, dass die Maßstäbe unseres Wohlanstandes sehr hoch angesetzt sind, bemessen an denen, die buchstäblich nichts haben.
Ich denke, es ist notwendig, global zu denken, um hierfür Verständnis zu erlangen. Ich lese Argumente wie, wovor flüchten sie denn? Die Frage ist nicht schwer zu beantworten. Vor Gewalt, vor Korruption, vor Waffen, die nicht zuletzt in deutschen Waffenschmieden produziert werden. Vor unmenschlichen Arbeitsbedingungen zu Hungerlöhnen in Fabriken, die auch dem deutschen Groß- und Einzelhandel zuarbeiten. Luxusgüter, die zu Billigstlöhnen produziert werden, um hier auf dem silbernen Tablett zum Kauf angeboten zu werden. Grenzenloser Konsumwahn.
Und im Fernsehen sehen diese Menschen dann den Wohlstand, den sie durch ihrer Hände Arbeit mit produzieren, an dem sie jedoch nicht teilhaben dürfen. Wollen wir es ihnen da verdenken, wenn sie ihren Teil daran einfordern? Die Stimme oder die Hand gegen sie zu erheben ist sicher nicht die Lösung, die zu einer nachhaltigen Befriedung führt. Ich wünsche mir einfach ein wenig mehr Menschlichkeit, denn nichts was wir unser nennen, ist wirklich sicher. Wir haben es in der Geschichte unseres eigenen Landes erlebt. Drei Generationen liegt sie zurück, die Zweitauflage der Urkatastrophe des 20 Jh.
Millionen Menschen auf der Flucht. Hunger und Elend, Tod und Verderben.
Es war nicht zuletzt internationaler Hilfe zu verdanken, dass dieses Land nach 1945 wieder auf die Beine kam.