Wie an jedem Werktag um diese Zeit war
die U-Bahnstation Hauptwache in Frankfurt übervölkert von Menschen,
die sich nach getaner Arbeit auf den Heimweg machten. Etliche
erwarteten die jeweiligen Züge, die jetzt im Minutentakt in den
Bahnhof einfuhren. Unter ihnen ich. Nicht getrieben von Zeitdruck.
Nicht benommen von der Mühsal eines langen Arbeitstages. Nur
schauend dieses Schauspiels, wie aus erster Reihe eines Auditoriums.
Da erblickte ich unmittelbar an der Bahnsteigkante eine winzige Maus.
Nahezu unbeirrt von den Menschenmassen lief sie schnurgerade den
Bahnsteig entlang, machte kehrt, lief zurück, verharrte immer wieder
für kurze Augenblicke und setzte ihren Weg dann fort. Minutenlang
beobachtete ich diese Szene mit einiger Faszination, da die Maus
offenbar nicht die geringste Scheu hatte. Als ich meinen Blick für
Sekunden abwandte, war sie in irgendeiner Bodenspalte verschwunden.
Ich wandte mich wieder dem übrigen
Getriebe, das mich umgab, zu. Bemerkte, dass all die Menschen, es
mochten Hunderte gewesen sein, die sich in unmittelbarer Nähe
dessen, was sich ereignete befanden, buchstäblich nichts wahrnahmen.
Nahezu ausnahmslos starrte man in
stoischer Passivität auf sein Handy, tippte mit flinken Fingern
Kurznachrichten, twitterte, chattete, mailte. Was aber konnte es in
diesem Augenblick Interessanteres geben als dieses kleine Wesen in
seinem Tun zu beobachten? Es war nicht von Bedeutung.
Interessanter war es, die Welt und ihr
Geschehen über ein 0,6 Zoll Handydisplay wahrzunehmen, als seinen
Blick auf das unmittelbare Geschehen dieser Augenblicke zu lenken.
Eine Maus auf dem Fußboden. Ein Blick, ein spontanes Lächeln eines
Fremden, eine Geste von Freundlichkeit, den Nächsten meinend.