Samstag, 12. Dezember 2020

Eine Art Erfahrungsbericht

Irgendjemand hat einmal gesagt, ein Gefühl zu beschreiben ist, als wolle man einem Blinden eine Farbe erklären. 

Es ist Freitagabend, 22:00 Uhr. Seit einer Stunde besteht Ausgangssperre. Eine Maßnahme, die als notwendig erachtet wird angesichts einer seit einem Jahr bestehenden weltweiten Pandemie. Eine Maßnahme, die, bevor sie zu Beginn der Krankheitswelle im Frühjahr dieses Jahres das erste Mal verhängt wurde, zuletzt in Kriegszeiten Anwendung gefunden hat.

Es ist bei Verhängung eines Bußgeldes untersagt, das Haus zu verlassen, es sei denn, man hat einen triftigen Grund.

Der, aus dem heraus ich gewohnheitsgemäß zu dieser Stunde auf die Straße gehe, gilt nicht als solcher.  Ich habe es mir zur Gewohnheit gemacht, mir abends, bevor ich meinen Tag beschließe, noch ein wenig die Beine zu vertreten. 

Ich wohne unweit eines weitläufigen Parks, der hierfür ideale Bedingungen bietet. Anderen Menschen begegnet man kaum mehr zu dieser Stunde. Dem ein oder anderen Hundebesitzer bestenfalls. Seit heute jedoch nicht einmal mehr diesen. Es besteht Ausgangssperre. Seit einer Stunde. Anhaltend bis in die frühen Morgenstunden. 

Ich möchte unter keinen Umständen missverstanden werden, wenn ich dieses Thema, das seit Montane kontrovers in den Medien und der Öffentlichkeit diskutiert wird, aufgreife. Ich stelle die Notwenigkeit dieser Maßnahme keinesfalls in Frage. Ebenso liegt es mir fern, irgendwelchen Schwurblern, Querdenkern, Leugnern und Verschwörungstheoretikern, die in all dem einen Angriff auf die verfassungsgemäß verbrieften Freiheitsrechte sehen, in die Hände zu spielen. Ihnen geht es zumeist um die Freiheit uneingeschränkten Amüsements und Konsums. Die Freiheit, selbst darüber zu befinden, ob man sich selbst und schlussendlich seinen Nächsten Schaden zufügt.

Nein, diese Freiheit meine ich nicht. Die Beschneidung dieser Art Freiheit ist nicht Gegenstand dieses Gefühls, das ich hier zu beschreiben versuche.

Es ist das Gefühl des Eingesperrtseins. Das Gefühl, gezwungen zu sein, auf eine Normalität zu verzichten, die man, eben weil sie niemals hinterfragt, respektive in Frage gestellt wird, in uneingeschränkter Weise und zu jeder beliebigen Zeit in Anspruch nehmen kann.  Die Freiheit also, etwas tun zu können, das weder mit den oben genannten Leidenschaften, beispielsweise dem Ausgehen, zu tun hat, noch einen andern Zweck verfolgt als den, das Haus selbst ohne einen nennenswerten Grund damit zu verbinden, zu verlassen. 

Ein Gefühl, zu dem ich selbst bei größter Bemühung keine angemessene Entsprechung finde. Ein Gefühl, dass man vielleicht als Kafkaesk bezeichnen möchte. Die Situation aber in jedem Fall.