Wenn er an diese Stadt dachte, waren es weniger die Bilder, die sich den flüchtigen Blicken der Wochenend-Touristen offenbarten. Weniger die Eindrücke, die die Hochglanzbroschüren, die Internetseiten mutierter Reiseveranstalter, die manipulierten Kundenbewertungen wiedergaben in ihrem Bemühen, den legendären Charme des Savoir Vivre zu beschreiben, was hauptsächlich dem Absatz billiger Souvenirs made in Taiwan sowie schlechten Kaffees zu überhöhten Preisen diente.
Wenn er an diese Stadt dachte, waren es die kleinen Cafés mit ihrem abgewetzten Plüsch. Waren es die Bars und Bistros jenseits der ausgetretenen touristischen Pfade. Jenseits jeder Erreichbarkeit klimatisierter Sightseeing-Busse. Waren es die Haussmann-Fassaden, die den Geist der Belle Époque, des Fin de Siècle, des Dekadentismus widerspiegelten, hinter deren Fenstern und Portalen sich Geschichte zutrug, die in seiner Phantasie noch immer existierte.
Was er auf seinen Exkursionen durch die nächtliche Stadt fand, waren die Stimmungen, die sich Rilke in Gestalt seines Malte Laurids Brigge offenbarten. War es das, was Hemingway in seiner Hommage an diese Stadt als ein Fest fürs Leben beschrieb. War es das, was er in der winzigen Chocolaterie in einer schäbigen Seitenstraße fand, in der er mit seinem Mädchen saß, den besten Crêpe seines Lebens verzehrte, dem Kellner zuhörte, der in einer für ihn fremden Sprache unendliche Monologe hielt, deren Inhalt er trotz seiner Unkenntnis verstand. War diese Metro-Linie, die er nur aus dem einen Grund wieder und wieder fuhr, der Originalität der Lautsprecheransage in ihrem Hinweis auf die nun folgende Haltestation: „Saint-Germain-de-Prés? Saint-Germain-de-Prés!“ einmal als Frage, dass zweite Mal als Antwort formuliert, zu folgen.
Es sind die Versatzstücke, die in einer Symbiose aus Gegenwart und lebendiger Vergangenheit, aus Wirklichkeit und Legende, aus Ihren Farben und Gerüchen, Ihren Menschen, Ihrem Lärm und der Stille verwinkelter Gassen, die Besonderheit dieser Stadt ausmachen, die sich dem offenbart, der bereit ist sich einzulassen.