Mittwoch, 30. März 2022

November

Da sind keine Farben. Keine Leichtigkeit. Da fehlt es an jeder Fröhlichkeit. Jedem Lachen. Selbst Kinderaugen ziert kein Lächeln.

Da sind graue Häuser. Graue Straßen. Graue Menschen. Da sind leere, verlassene, verfallene Gebäude. Fabrikruinen, die Zeugnis geben von etwas, das lang vorüber, das doch nie war und das später erst recht nicht kam.

Menschenleben schleppen sich vorüber. Menschenleben, jeder Illusion beraubt. Jeder Hoffnung, die sie einst trieb, Mauern einzureißen. Grenzen zu überwinden. Optimistisch in die Zukunft zu schauen. Lähmende Schwere lastet in den Gliedern. Leere Blicke in leeren Gesichtern.

Sie, die noch einen Rest dessen verspürten, was die Alten trieb, gingen.
Die blieben, verfielen zu Staub.
Zur Ödnis, die sich von den bröckelnden Fassaden auf ihre Gesichter übertrug.

Die Welt in ihren Verheißungen, ihrem Glanz, der sie einst verführte, noch immer auf den Bildschirmen, den Monitoren, den Hochglanzbroschüren. Hohn und Spott gleich, als sagten sie, selber schuld, wenn ihr es glaubt. Das Paradies in billigem Tand versprechend: „Das Sixpack Bier für 1,20. Das Pfund Kaffee diese Woche für 2,55“, wenn sie wöchentlich als Beilage einer drittklassigen Postille in klapprigen Briefkästen landen.
Die Verführung überwand Mauern, Minenfelder und Stacheldraht. Überwand Grenzpatrouillen und Schießbefehl. Das vermeidliche Glück brach sich an unsichtbaren Grenzen. Sein Gegenstand schien greifbar an jenem Tag im November. Heute, Jahrzehnte nach den Tränen des Glücks, ist es ferner denn je.