Sonntag, 22. März 2020

„Die Botschaft höre ich wohl. Allein, mir fehlt der Glaube...“

Auf alle Fragen, auf die das Leben zu oft nur keine Antworten parat hält, ist die, wie man mit der Bedrohung durch „Corvide 19“ umgehen soll, gegenwärtig sicher die brennendste. Wie schützt man sich, wie seine Nächsten? Die Medien, deren Meldungen sich mittlerweile im Stundentakt aktualisieren, und denen man sich kaum entziehen kann, haben keine Antworten, die dem Sicherheitsbedürfnis der Menschheit gerecht werden. Im Gegenteil, will man meinen. Die Gefahr scheint allgegenwärtig. Scheint uns in jedem Passanten präsent, dem wir auf der Straße begegnen, scheint uns aus dem Hinterhalt aufzulauern, anzuspringen.
Durchgreifende Maßnahmen, die der nachhaltigen Eindämmung der Ausbreitung dienen sollen, werden erlassen. Werden mit aller Konsequenz, z.T. durch Anwendung staatlicher Gewalt, durchgesetzt. Wir müssen daran glauben, dass es Wirkung zeigt, wenn auch Zweifel bestehen, schaut man in die Nachbarländer, allen voran Italien, in denen sich die Krankheit nahezu ungehindert ausbreitet und das trotz verhängter Ausgangssperren und immer währender Warnaufrufe durch sämtliche Medien.
Eine Gesellschaft, eine Infrastruktur, ein Konsumapparat bricht zusammen. Nicht schleichend. Nein, von einem auf den anderen Moment. Die Folgen, zum jetzigen Zeitpunkt, da der Gipfel der Entwicklung noch nicht einmal erreicht ist, sind unabsehbar.
Musste es so kommen? Ich bin kein besonders religiöser Mensch, doch denke ich oft an die in der Bibel beschriebenen apokalyptischen Ereignisse, wie dem Untergang der Städte „Sodom und Gomorrha,“ oder auch an literarische Motive, deren Autoren in visionärer Weise einen Werdegang vom „ist-Zustand“ weiter berechnet und Dystopien unbeschreiblichen Ausmaßes beschrieben haben. Natürlich gab es immer vergleichbare Ereignisse in der jüngeren und weiteren Geschichte gesellschaftlicher Entwicklungen. Denken wir an die alljährlichen Grippe-Epidemien oder denken wir 100 Jahre zurück, als sich die Weltbevölkerung um 50 Millionen Menschen dezimierte, die binnen eines Jahres an der spanischen Grippe starben. Wurde es je als Warnung verstanden? Als Antwort der Natur auf die Wunden, die wir, die menschliche Rasse, dieser unablässig zufügen in unserem nie zu befriedigenden Anspruch nach mehr, nach uneingeschränktem Konsum, weit... sehr weit über den eigentlichen Bedarf hinaus?
Läden haben geschlossen. Cafés, Restaurants und andere Freizeiteinrichtungen jeglicher Art mussten ihren Betrieb auf unabsehbare Zeit einstellen. Wir, die wir gehalten sind, das Haus, die Wohnung tunlichst nicht mehr zu verlassen, sind plötzlich auf uns selbst zurückgeworfen. Und doch schöpfen wir immer noch aus dem Vollen. Die Versorgung durch Lebensmittel ist weiterhin gewährleistet. Wir bedienen uns aus überfüllten Regalen der Supermärkte. Und doch fühlen wir uns beschnitten in unserem Drang, tun und lassen zu können, was wir wollen, ungeachtet der Folgen, die unser Handeln lang- oder mittelfristig haben kann. 
Ich habe Angst, ja! Angst, dass die medizinische Versorgung zusammenbricht, wie wir es in Italien erleben. Angst, dass die Dauer der Epidemie sich derart hinstreckt, dass noch ganz andere Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die Bevölkerung mit dem Nötigsten zu versorgen. Angst aber auch davor, dass wir, die Gesellschaft, vergisst, wenn alles vorüber ist. Vergisst wie es aussieht, wenn man sich eine Weile massiv einschränken muss. Wenn das 
Selbstverständliche plötzlich nicht mehr in uneingeschränkter Weise zur Verfügung steht. Wenn wir wieder der Unbescheidenheit, der Maßlosigkeit, der Befriedigung der Gier anheimfallen, bis zum nächsten Zusammenbruch, der vielleicht irgendwann einmal der letzte für die zivilisierte Welt, so wie wir sie kennen, sein wird.

Ein Künstler, der kürzlich in einem Interview im Deutschlandfunk zu seiner persönlichen Situation Stellung nahm, äußerte sich dahingehend, dass in jeder Krise auch eine Chance steckt. Nur müssen wir sie erkennen. Lehren aus ihr ziehen, damit es weiter geht...