Dienstag, 25. Februar 2020

„Der Worte sind genug gewechselt...“


Eine Stadt, ein Land im Ausnahmezustand. Am 2. Juni 2019 wurde Walter Lübcke Opfer eines politische motivierten Mordanschlags.  Am 9. Oktober 2019  waren es zwei Menschen, die beim Überfall auf die Synagoge von Halle starben.  Heute sind es zehn Tote, die wir im stillen  Entsetzen betrauern. Fremde Menschen fallen sich weinend in die Arme. Polizisten, Einsatzkräfte von Feuerwehr und Rettungsdiensten steht das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Journalisten, die vom Ort des Grauens berichten, ringen um Worte, kämpfen gegen die Tränen. Schockstarre und wieder die Frage: Warum? Sprachlosigkeit, Angst und Wut machen sich breit. 

Ich denke, es ist nicht die Zeit, Hass mit Hass zu vergelten. Nicht die Zeit, die Faust in der Tasche zu ballen. Das Resultat wäre furchtbar. Das Resultat wären bürgerkriegsähnliche Zustände, die am Ende sicher nicht zu einem positiven Ziel führen. Wie aber sich zu Wehr setzen gegen die Täter? Gegen den Ungeist, der die Täter motiviert.  Gegen die Kräfte, die gewollt und gezielt provozieren, wenn  sie die Gesellschaft zersetzen und spalten, indem ihnen kein noch so primitives und perfides Mittel zu schäbig ist, mittels ihrer geistzerfressenden  Ideologie die Stimmung im Land zu vergiften.  

Alexander Gauland äußerte sich empört darüber, dass man dieses Verbrechen gegen den politischen Gegner instrumentalisiere. Er verharmloste es, in dem er sagte, es sei die Tat eines „irren, exzentrischen Einzeltäters, der nachweislich nicht aus politischen Motiven gehandelt hätte“. In Fall des Attentats, das sich vor 3 Jahren auf dem Berliner Weihnachtsmarkt ereignete,  im Fall des  Unglücks, das ein Zuwanderer im vergangenen Jahr auf dem Frankfurter Hauptbahnhof  verursachte, scheute man sich wenig, diese Taten im Sinne der Hetzpropaganda  von Rechts für sich zu instrumentalisieren. 

Wir haben es mit einer Partei zu tun, die längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Mit rhetorischer Raffinesse und subtilen  Mitteln unterminieren sie alle Bereiche der Gesellschaft. Hinterlassen ihre Duftmarken in sozialen Einrichtungen, Vereinen, Verbänden, Bildungseinrichtungen etc. 

Freilich ruft diese Partei und ihre Vertreter nicht in direkter Form zu Ausschreitungen und Gewalt auf. Aber sie provozieren, sie dulden sie. Die sozialen Netzwerke bieten hierfür ein willkommenes Medium. Hasskommentare ihrer Entourage in Form unverhohlener Aufrufe zu  Straftaten.  Schreie nach Lynchjustiz, Forderungen nach bewaffneter Bürgerwehr und Schlimmeres sind zu lesen unter den Beiträgen eines Höckes, eines Meuthens, einer Weidel, einer Storch...
Und es wurde zugelassen. Man verschloss die Augen vor dieser schwelenden Gefahr. Mehrere Verbotsverfahren gegen die NPD scheiterten. Am Ende hieß es, dass keine nennenswerte Gefahr von dieser stark geschwächten Partei mehr ausgehe, ein Verbot also unnötig sei. In ähnlich gelähmter Weise verfährt man mit der AFD, die, laut Urteil des Landgerichts Gießen aus 2018 als rechtsradikal bezeichnet werden darf,  also deutlich gegen die Verfassung verstößt. Einzig die Überwachung durch den Verfassungsschutz konnte man durchsetzen. Die Wirksamkeit dieser Maßnahme jedoch scheint mir mehr als zweifelhaft, denke man nur an das "NSU-Trio", das seine Verbrechen ungehindert fortsetzen konnten, obwohl es der genannten Institution bekannt waren.

Wir müssen uns fragen, ob die rechtsstaatlichen Mittel ausreichen, gegen diese Kräfte vorzugehen, ihnen Einhalt zu gebieten, ihnen das Wort zu entziehen und sie in ihre Schranken zu verweisen. Am 17. August 1956 wurde das 2. Verbotsverfahren gegen eine Partei, die KPD,  in Deutschland durchgesetzt. Wenn man sich die Zusammenfassung der Urteilsbegrünung vornimmt, stellt sich die Frage, was hiervon nicht ebenfalls anzuwenden ist gegen rechte und rechtsnationalistische  Parteien und Gruppierungen heute, die, und davon bin ich überzeugt, sich hinter verschlossenen Türen die Hände reiben, angesichts dessen, was wir in diesen Tagen in Hanau erleben mussten.