Mittwoch, 10. Juli 2019

Café des Artistes

Dass der Status "gehobene Gastronomie", sofern sich das betreffende Lokal diesen selbst an Revers heftet, wenig wert ist, bedarf keiner profunden Kenntnis des Szene.
Zweifellos hat es seinen Charme, eingerichtet nach Art französischer Cafés, in dessen Ambiente man meint, Sartre und Beauvoir hätten es gerade verlassen oder würden jeden Augenblick zur Tür hereinkommen.  Auch die Karte lässt wenig zu wünschen übrig, scheint von ausgesuchter Qualität. Lediglich am Service mangelt es, will man von Service überhaupt sprechen.
Es sollte ein besonderer Abend werden, den ich mit meinem Gast in Form eines stilvollen Essens in Café des Artistes, im Thalia Theater in Hamburg, einleiten wollte. Der Abend, an dem sämtliche Theater Hamburgs anlässlich des Spielzeitauftaktes ihr neues Repertoire präsentieren. Zwei Stunden waren es bis zum Beginn des Programms. Zwei Stunden, die wie in entspannter Atmosphäre die Gastlichkeit des Lokals genießen wollten.
Das Wetter erlaubt es, dass wir uns draußen einen Platz suchten. Die Tische waren zu einem Drittel belegt, auf einem weiteren Drittel befanden sich Schilder mit dem Hinweis "reserviert", was nachvollziehbar war, rechnete man angesichts des stattfindenden Events sicher mit entsprechender Gästezahl. Nach einer
Weile, wir warteten  bereits eine gute halbe Stunde auf den Kellner, der uns uns offenbar nicht bemerkte, fiel uns auf, dass jeder weitere Tisch, vom dem sich die Gäste erhoben, mit einem Reserviertschild versehen wurde. Das vermittelte wenig Charakter von Gastlichkeit, man möchte fast sagen, man fühlte sich selbst als störend. Endlich ergabt sich die Möglichkeit, die Aufmerksamkeit des Kellners zu erregen,  in dem ich ihn im Vorbeieilen fragte, ob es möglich sei, Kaffee nebst einer Karaffe Mineralwasser  für meine Begleitung und mich zu bestellen. Nun offenbarte sich das Problem, dem der Betrieb sich offenbar ausgesetzt sah. Man sei personell nicht auf diesen Andrang vorbereitet. Zudem sei es zum Ausfall eines Mitarbeiters gekommen, wodurch mit längeren Wartezeiten zu rechnen sei. Der Kaffee käme so schnell wie möglich, ob es mit dem Wasser klappte, könnte man zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht sagen.  Man wäre jedoch bemüht, unserem Wunsch so zügig wie möglich zu entsprechen. Der besagte Andrang äußerte sich zu diesem Zeitpunkt gerade mal in 7 oder 8 besetzen Tischen, die von zwei Mitarbeitern zu versorgen waren.  Keine 20 Minuten später wurde dann zwar kein Kaffee, sondern statt dessen ein Cappuccino und ein Latte Macchiato serviert. Eine Reklamation ersparte ich uns wie auch dem Kellner, hätte dies den Rahmen der Möglichkeiten womöglich völlig gesprengt.

Beim Kaffee aber sollte es nicht bleiben. Die Kuchenvitrine wies manche Appetitlichkeit auf, worauf wird uns entschlossen, einen erneuten Versuch zu unternehmen eine
Bestellung durchzusetzen. Kuchen würde es schon geben, so die Äußerung des verzweifelteren Kellners, jedoch mangelte es jetzt an Tellern und Besteck, selbigen zu servieren.

Ich will den Grund dieses offensichtlichen Chaos nicht auf mögliches Unvermögen des Personals abwälzen. Im Gegenteil, ab einem gewissen Zeitpunkt fanden wir die stete Bemühung, jeden weiteren Tisch durch entsprechen Beschilderung vor hungrigen Gästen zu blockieren, wie auch die hilflosen Erklärungsversuche gegenüber Gästen, die sich von den Schildern wenig beeindrucken ließen, unterhaltsam. Es war, wie gesagt, der Spielzeitauftakt der Hamburger Theater und wir beschlossen, dies als humoresken Teil des Unterhatungsprogamms zu betrachten. Als wir nach 1,5 Stunden, nach Genuss des Kaffees, den wir nicht bestellt hatten, nach Verzehr des Kuchens, für den sich irgendwann schließlich doch noch Teller und Gabel fanden, das Café verließen,  stellten wir fest, dass dessen Defizite auch in kassentechnischer Hinsicht bestanden. Den Kuchen überließ man uns, sicher ungewollt, kostenfrei, was zu reklamieren mir am Ende doch die Einsicht fehlte.