Samstag, 28. April 2018

Die Sache mit der Maus


Wie an jedem Werktag um diese Zeit war die U-Bahnstation Hauptwache in Frankfurt übervölkert von Menschen, die sich nach getaner Arbeit auf den Heimweg machten. Etliche erwarteten die jeweiligen Züge, die jetzt im Minutentakt in den Bahnhof einfuhren. Unter ihnen ich. Nicht getrieben von Zeitdruck. Nicht benommen von der Mühsal eines langen Arbeitstages. Nur schauend dieses Schauspiels, wie aus erster Reihe eines Auditoriums. Da erblickte ich unmittelbar an der Bahnsteigkante eine winzige Maus. Nahezu unbeirrt von den Menschenmassen lief sie schnurgerade den Bahnsteig entlang, machte kehrt, lief zurück, verharrte immer wieder für kurze Augenblicke und setzte ihren Weg dann fort. Minutenlang beobachtete ich diese Szene mit einiger Faszination, da die Maus offenbar nicht die geringste Scheu hatte. Als ich meinen Blick für Sekunden abwandte, war sie in irgendeiner Bodenspalte verschwunden.

Ich wandte mich wieder dem übrigen Getriebe, das mich umgab, zu. Bemerkte, dass all die Menschen, es mochten Hunderte gewesen sein, die sich in unmittelbarer Nähe dessen, was sich ereignete befanden, buchstäblich nichts wahrnahmen.

Nahezu ausnahmslos starrte man in stoischer Passivität auf sein Handy, tippte mit flinken Fingern Kurznachrichten, twitterte, chattete, mailte. Was aber konnte es in diesem Augenblick Interessanteres geben als dieses kleine Wesen in seinem Tun zu beobachten? Es war nicht von Bedeutung.

Interessanter war es, die Welt und ihr Geschehen über ein 0,6 Zoll Handydisplay wahrzunehmen, als seinen Blick auf das unmittelbare Geschehen dieser Augenblicke zu lenken. Eine Maus auf dem Fußboden. Ein Blick, ein spontanes Lächeln eines Fremden, eine Geste von Freundlichkeit, den Nächsten meinend.